Die Insel der Mandarine
er nicht menschlich war.
Er war ein ganzes Stück
kleiner als ich, aber ich schätzte, daß er schwerer war. Sein Kopf schien ohne
die schmückende Beigabe eines Halses in die Schultern eingelassen. Man hat mir
manchmal gesagt, daß ich so ähnlich aussehe, aber an dieser Kreatur suchte man
eigentlich auch erkennbare Schultern, Taille, Hüften und Schenkel vergebens.
Der Kerl war aus einem Stück gegossen, ein einziger sehniger Muskelstrang vom
Kinn bis zu den Knien, der sich nur zu den Füßen hinunter ein wenig verjüngte.
Als er sich bis auf einen Lendenschurz ausgezogen hatte, setzte sich eine Biene
auf seine linke Schulter, und anstatt sie mit der Hand zu verscheuchen, zuckte
er nur mit dem entsprechenden Muskel wie ein Esel; ein müheloses Beben der
Hautoberfläche, gesteuert durch vollkommene Muskelbeherrschung.
»Nummer Zehn der Ochse«,
sagte ich leise für mich, »da sitzt du ganz schön im Schlamassel .«
Der Kerl musterte mich mit
glitzernden, ausdruckslosen Augen, dann glitt er, von einer geschmeidigen
Wellenbewegung der Muskeln getrieben, zum Platz des Herausforderers im Ring.
Ich nannte ihn für mich die Schlange. Der Gouverneur hatte zum Zeichen seines Ranges
die Schiedsrichterfahne an sich genommen. Nun ließ er sie ganz plötzlich
heruntersausen, um mich zu überrumpeln. Aber genau das hatte ich erwartet, und
so war ich bereit. Ich hatte beschlossen, daß es sinnlos war, bei einer
Schlange nach einer Schwäche Ausschau zu halten, daher flog ich in dem
Augenblick, als die Flagge nach unten zu zucken begann, durch die Luft, drehte
mich im Sprung und trat mit wuchtigem Schwung nach dem Fußgelenk des Reptils.
Er hatte nicht damit gerechnet. Er ließ einfach die Hand fallen und schlug so
mächtig auf meinen ausgestreckten Fuß, daß ich wie ein schnurloser
Papierdrachen um meine Achse kreiste und dann in einer Staubwolke zu Boden
krachte. Ich brachte einen Salto rückwärts zustande und landete abwehrbereit in
geduckter Stellung, aber er dachte gar nicht daran, mich anzugreifen. Er
wartete darauf, daß ich kam und ihm die Zeit vertrieb. Diesmal war er so
herablassend, daß er nicht einmal den Versuch machte, mich aufzuhalten, als ich
mich auf ihn stürzte und an der Taille packte. Das war der Augenblick, in dem
ich entdeckte, daß der ölige Glanz seiner Haut keine optische Täuschung war.
Meine Hände rutschten hilflos ab, und mit einem weiteren mühelosen Muskelzucken
katapultierte er mich von sich.
Was für ein Wesen läuft
denn mit einer Schicht Öl auf dem Körper herum?
Mir blieb keine Zeit,
darüber nachzudenken. Die Schlange schnellte vor, und im nächsten Augenblick,
bevor ich wußte, wie mir geschah, flog ich den Wolken entgegen, dann konnte ich
sie kopfüber betrachten, und gleich darauf kam ich mit einem Schlag, der mir
schier das Hirn aus dem Kopf drosch, wieder auf den Boden zurück. Er hätte mir
ohne weiteres auf der Stelle den Rest geben können, aber er glitt
schlangengleich um den Ring, um den Applaus des Gouverneurs und seines Gefolges
entgegenzunehmen. Ich nutzte die Gelegenheit, um Erde locker zu scharren und
mir damit die Hände einzureiben. Dann sprang ich vor, während er mir noch den
Rücken zukehrte. Es gelang mir, ihn um die Taille zu fassen. Jetzt bot mir die
Erde festen Stand, und bevor sie sich in glitschigen Schlamm verwandeln konnte,
wuchtete ich ihn mit aller Kraft so hoch ich nur konnte in die Luft. Die
Schlange schwebte über meinem Kopf, und so stolzierte ich um den Ring, bevor
ich ihn dem Gouverneur mit Schwung vor die Füße schleuderte. Manchmal frage ich
mich, wieso ich mit den zwei Kiebitzeiern, die sich als mein Gehirn ausgeben,
so lange überlebt habe. Da verneigte ich mich nun, aufgebläht wie ein
Kugelfisch in meiner Eitelkeit, vor den Banditen, aber seit wann macht man ein
Reptil unschädlich, indem man es zu Boden schleudert. Man verärgert es, das ist
der ganze Effekt, und als ich wieder in der Lage war, einen Gedanken zu fassen,
hatte ich das dumpfe Gefühl, von einem Orkan überrollt worden zu sein. Ich wurde
hierhin und dahin katapultiert, überschlug mich wieder und immer wieder, und
dann lag ich flach auf dem Rücken, und die Schlange saß behaglich hinter mir.
Er hatte mir die Arme nach hinten gezogen und festgeklemmt, seine Beine waren
um meinen Hals geschlungen. Langsam, ganz langsam drückte er sie zusammen, wie
eine Würgeschlange sich immer enger um ihr Abendessen zusammenzieht. Der Große
Gouverneur vom Gänsetor beugte sich über mich,
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