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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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mögen, sie fand ständig etwas an ihm auszusetzen – obwohl er viel mehr von Pferden verstand, die Tiere ehrlich gern hatte und dreimal so gut ritt wie der entlaufene Caesar.
    Jefe und Bonnie blieben nicht lange allein in der Zelle der Gendarmerie. Kurz nach den Hinrichtungen erschien ein Sklavenhändler, um sie abzuholen. Der Mann, ein grobschlächtiger Weißer, der Bonnie an ihren Backra Dayton erinnerte, besah Jefe wohlgefällig, Bonnie eher desinteressiert.
    »Der eine ist ja ein Prachtkerl«, bemerkte er zu dem Gendarmen, der ihn hineinbegleitet hatte. »Aber der Kleine war wohl der Schiffsjunge – für den gibt’s nicht viel, der kriegt auf den Feldern doch bestimmt nichts geschafft. Na ja, wie auch immer. Und jetzt zieht euch aus, ihr zwei!«
    Der Händler wandte sich an die beiden Schwarzen und warf ihnen die Kleidungsstücke hin, in denen männliche Sklavenfeilgeboten wurden: helle, weite Leinenhosen. Die Oberkörper der Männer blieben in der Regel frei, die Käufer wollten die Muskeln sehen. Sie interessierten sich auch dafür, ob die Rücken der Sklaven Narben von Auspeitschungen aufwiesen. Renitenz minderte den Preis.
    »Wird’s bald?«, fragte der Händler und drohte mit einer Reitpeitsche.
    Jefe starrte wie paralysiert auf Bonnie, die den Blick zu Boden gerichtet hielt. Schließlich besann er sich, zog sein Hemd über den Kopf und die Hose aus. Bonnie löste zögernd das Band der ihren, unter der sie noch eine kurze Unterhose trug.
    »Ganz ausziehen!«, donnerte der Händler. »Alles, ihr Mistkerle, ich will nur noch nackte schwarze Haut sehen! Nicht dass da noch einer ein Messer versteckt.«
    Jefe schlüpfte aus seiner Hose und stand nun vor den Männern, wie Gott ihn geschaffen hatte. Ein prachtvoller Anblick, der Händler pfiff anerkennend durch die Zähne. Bonnie kreuzte zögernd die Arme vor der Brust und zog dann endlich das Hemd über den Kopf.
    Es war der Gendarm, der ihre Brüste als Erster bemerkte.
    »Corrière, ich glaub’s nicht! Schau dir mal das an!«
    Der Sklavenhändler ließ den Blick von Jefe zu Bonnie schweifen und erstarrte. »Das ist … das ist ja unglaublich! Hosen runter, Kleiner! Wir wollen sehen, ob du ’n Mädchen bist oder ’n Zwitter!«
    Mit einem raschen Schnitt seines Messers durchtrennte er das Leinenband, das Bonnies Unterhose an ihrem Platz hielt. Die junge Frau schluchzte auf, als ihr letztes Kleidungsstück hinunterglitt.
    Die Männer starrten sie ungläubig an.
    »Sie war auf dem Freibeuterschiff?«, fragte Corrière. »Kein Zweifel möglich? Also ’ne Piratenbraut hab ich mir immer anders vorgestellt.« Seine Blicke fuhren über Bonnies abgehärmteGestalt, ihre kleinen Brüste und ihre spärliche Körperbehaarung.
    »Von wegen Braut!«, lachte der Gendarm. »Das Gör hat ’ne Kanone bedient! Hier, lies: Bobbie – Erster Kanonier.« Er hielt dem Händler die Liste mit den Namen und Diensträngen der Piraten hin. »Ham die alle gedacht, du wärst ’n Junge, Kleine? Du hast die ganze Mannschaft genarrt?«
    Bonnie nickte mit gesenktem Kopf. Dem Gendarmen schien sie fast leidzutun. »Wie heißt du denn richtig?«, fragte er freundlich.
    »Bonnie«, sagte Bonnie leise. Sie versuchte, ihre Hände schützend vor Brüste und Scham zu halten. »Bitte …«
    Corrière verstand. »Schon gut, Süße, ich hol dir auch ’n Kleidchen«, meinte er versöhnlich und zwinkerte dem Gendarmen zu. »Nicht, dass hier einer auf dumme Gedanken kommt. Aber was es nicht alles gibt …« Kopfschüttelnd verließ er die Zelle, nicht ohne sich vorher noch einmal umzusehen. »Und Sie sperren die zwei solange in getrennte Zellen«, wies er den Gendarmen an. »Damit wir am Ende nicht drei haben!«
    Bonnie hatte sich wieder notdürftig bekleidet, als der Gendarm sie über den Gang führte. Das Frauenverlies war so früh am Morgen noch leer. Am Abend mochte es sich mit Hafendirnen füllen, die randaliert oder ihre Freier bestohlen hatten, doch vorerst hatte Bonnie es für sich allein. Sie kauerte sich leise weinend in eine Ecke. Natürlich fror sie nicht, selbst in den Kellern war es heiß auf Hispaniola, aber sie schämte sich zu Tode. Und jetzt würde alles wieder von vorn losgehen. Man würde sie an irgendjemanden verkaufen, der sich keine bessere Sklavin leisten konnte. Bonnie machte sich über ihren Marktwert keine Illusionen: Sie hatte kaum besondere Fähigkeiten und war weder stark noch schön. Dass sie lesen und schreiben konnte, nutzte ihr nichts, es war Sklaven verboten.

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