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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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nicht mehr genießen oder auch nur freundlich über sich ergehen lassen konnte. Solange sie ihren Mann betrogen hatte, war sie ausgeglichen und glücklich gewesen, so erfüllt von Leidenschaft und Lust, dass noch reichlich für Victor übrig geblieben war. Jetzt aber trieb es sie zur Weißglut, wenn er sie anfasste, ihr Komplimente machte und sie zu harmlosen Vergnügungen ausführte. Manchmal musste sie sich bezähmen, ihm nicht ihre Wut darüber entgegenzuschleudern, dass er da war und nicht ihr Caesar, dass er in Sicherheit war, während Caesar sein Leben riskierte. Sie wusste, dass dies ungerecht war und dass sie Victor mit ihrer Haltung verletzte. So versuchte sie denn, es so gut wie möglich zu kaschieren. Aber Deirdre war eine schlechte Lügnerin. Victor nahm es ihr nicht ab, wenn sie sich mit Kopf- oder Regelschmerzen entschuldigte, er ließ es auch nicht zu, dass sie sich allzu oft zurückzog, statt die Abende mit ihm zu verbringen. Der junge Arzt bemerkte ihre Depression, führte sie aber darauf zurück, dass seine Frau immer noch nicht schwanger war. Es war nur logisch, dass er alle Anstrengungen unternahm, diesen Zustand alsbald zu ändern.
    Victor tat alles, was ihm nur möglich war, um Deirdre glücklich zu machen. Immer wieder stellte er seine Arbeit zurück und verbrachte die Wochenenden mit ihr auf Nouveau Brissac. Er ritt mit ihr aus und tanzte mit ihr auf den Bällen der Pflanzer. Die Gesellschaft der Gegend hatte sich endlich von dem gewaltsamen Tod der Courbains erholt und feierte erneut rauschende Feste, wozu die Hochzeit von Gérôme Dufresne mit Yvette Courbain den Auftakt bildete. Victors Bruder war damit am Ziel seiner Träume. Durch die Verbindung mit der Erbin wurde er zum Herrn über eine riesige Kaffeeplantage mit über zweihundert Sklaven, die obendrein an den Besitz seines Vaters grenzte. Die Familie Dufresne gehörte nun endgültig zu den reichsten Pflanzern auf Saint-Domingue.
    Victor ließ Deirdre ein traumhaft schönes Kleid für die Hochzeit schneidern, und schließlich fand jeder, dass die Frau des Arztes die Braut in jeder Beziehung ausstach. Deirdre lächelte auch pflichtschuldig und machte charmant Konversation – ihre Stimmung besserte sich allerdings nicht, und gleich am nächsten Tag machte sie ihrem Mann eine heftige Szene, als der sie wieder einmal allein ließ, um eine möglicherweise vergiftete Familie zu besuchen.
    »Die haben gestern einfach zu viel gegessen und getrunken!«, rief sie verärgert. »Und jetzt sollst du wieder den halben Tag unterwegs sein, um ihre Magenverstimmung zu behandeln. Ich wünschte, sie würden diesen Macandal endlich fassen …«
    Victor glaubte zwar nicht, dass dies ihre aktuelle Ehekrise beheben würde, stimmte Deirdre sonst aber zu – auch wenn er eine gewisse Sympathie für schwarze Revolutionäre hegte. Er konnte verstehen, dass die Sklaven um ihre Freiheit kämpften und dass viele von ihnen ihre Herren hassten. Die Pflanzer gaben ihnen schließlich oft genug Grund dazu. Macandals Methoden ließen sich damit jedoch nicht entschuldigen, Victor empfand die Giftmorde als hinterhältig und falsch.
    Bislang sah es allerdings nicht so aus, als stünde die Ergreifung des Giftmischers kurz bevor, obwohl die Weißen inzwischen mehr über Macandal wussten. Offenbar war er nicht erst durch die Giftanschläge auffällig geworden, sondern steckte auch hinter etlichen, sehr brutalen Maroon-Angriffen auf Pflanzungen bei Port-au-Prince. Die unterschieden sich allerdings nicht sehr von vergleichbaren Übergriffen auf anderen Inseln – gesetzlose freie Schwarze und entlaufene Sklaven, die sich in den Bergen verschanzten, überfielen Plantagen, um Geld, Schmuck, Werkzeuge und Vieh zu rauben. Für die Plantagensklaven kamen die Überfälle ebenso überraschend wie für die Pflanzer, die Hausdiener wurden getötet wie ihre Herren, bevor das Haus durchsucht und in Brand gesteckt wurde. Die Räuber waren fast immer schon weg, bevor die Feldsklaven in ihren abgelegenen Quartieren überhaupt etwas von dem Überfall merkten. Gezielte Versuche, sie zu befreien, wurden in der Regel nicht gemacht. Schlossen sich den Maroons allerdingsSklaven an, wies man sie nicht ab. Viele waren es jedoch nicht. Selbst Granny Nanny auf Jamaika, die als große Befreierin der Sklaven galt, hatte im Rahmen Dutzender Überfälle nicht mehr als zweihundert Männer und Frauen in die Freiheit geführt.
    Macandals Vorgehen hatte sich dann aber irgendwann geändert. Der

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