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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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seine.«
    Gérôme wirkte geradezu euphorisch, als er von seinem Aufseher schwärmte, aber Victor verzog den Mund.
    »Der unschlagbare Mèz Oublier ist mit ziemlicher Sicherheit der Grund dafür, dass Gérôme sich uns anschließt«, wisperte er Nora zu. »Er ist ein Schinder der übelsten Sorte, mit dem bin ich schon mehrmals aneinandergeraten. Das vermeidet Gérôme allerdings tunlichst. Der Mann droht schnell mit Kündigung, wenn ihm was nicht passt. Kein Wunder, jeder Pflanzer der Gegend hat schon versucht, ihn abzuwerben. In deren Augen gibt der Erfolg ihm Recht. Ich dagegen würde mich sorgen – einer wie Oublier treibt Macandal die Leute reihenweise zu.«
    Nora hatte Victors Worte, die Sklavensiedlung auf Roche aux Brumes sei um einiges trostloser als die auf Nouveau Brissac, noch im Ohr, jetzt stellte sie schaudernd fest, dass ihr Schwiegersohn nicht übertrieben hatte. Das Hüttendorf lag auch nach Sonnenaufgang in nebligem Halbdunkel, der sintflutartige Regen der Nacht hatte es völlig überflutet. Ein großer, hagerer Mann auf einem Pferd trieb unter Flüchen und Beschimpfungen einen Trupp Sklaven an, die Bewässerungsgräben aushoben. Selbst die Aufseher hatten also eingesehen, dass etwas getan werden musste. Wahrscheinlich war das Wasser auch in ihre Häuser eingedrungen.
    Nun sprengte der Reiter allerdings gleich auf die Ankömmlinge zu. »Ah, Monsieur Dufresne! Schön, dass Sie vorbeischauen!«, grüßte er freundlich. »Ich hoffe nicht, um sich zu beschweren, weil die Kerle hier noch nicht auf den Feldern sind. Aber wir mussten entwässern, Bernard schwemmt der ganze Garten weg. In zwei Aufseherhäusern steht die Brühe fußhoch, und die Weiber in der Küche beschweren sich, dass sie kein Feuer ankriegen, wenn ihnen das Wasser bis zu den Knien steht.«
    Nora fand ihre Überlegung bestätigt. Die Sklavenhütten und die Küche hätten die Aufseher wenig gekümmert, aber wenn es in ihren eigenen Häusern und Gärten feucht wurde …
    »Nein, nein, schon in Ordnung!«, beeilte sich Gérôme zu versichern. »Sie machen das zweifellos richtig, Oublier. Darf ich übrigens vorstellen? Die Schwiegereltern meines Bruders Victor. Madame und Monsieur Fortnam. Monsieur Fortnam unterhält eine Zuckerrohrplantage auf Jamaika.«
    Oublier grüßte höflich. »Und der Doktor!« Er grinste, als er Victor erkannte. »Auch mal wieder hier? Die Drückeberger ein wenig in ihrer Haltung bestätigen … Heute wird’s wohl ein bisschen schwierig sein, ein trockenes Plätzchen zu finden.«
    »Schlimm genug«, bemerkte Victor. »Wie viele Fiebertote gab es in den letzten Monaten, Oublier? Wie viele ›Unfälle‹ bei den letzten Baumaßnahmen? Doch lassen wir das, Sie werden mir ohnehin keine erschöpfenden Auskünfte geben. Komm, belle-mère , wir suchen einen einigermaßen annehmbaren Platz für die Konsultation und hören mal, was die Leute so zu erzählen haben.«
    Erstaunlicherweise fiel die Begrüßung des Arztes auf dieser Plantage wesentlich euphorischer aus als auf Nouveau Brissac. Vor allem die rundliche Köchin und ihr Personal stürzten auf ihn zu und schilderten ihre gesundheitlichen Wehwehchen und andere Probleme.
    »Charlene hat großes Vertrauen zu mir«, erklärte Victor Nora die Lage. »Und wohl auch ein bisschen Sehnsucht nach einer weißen Familie. Sie war Köchin im Haus, Gisbert, Gérôme und ich kennen sie seit unserer Kindheit. Sie hat uns immer mit Leckerbissen verwöhnt, eine ganz freundliche, fürsorgliche Frau. Das hat ihr leider nicht geholfen. Nachdem Yvettes Eltern umgebracht worden sind, hat Gérôme das gesamte Küchenpersonal ausgetauscht, obwohl Charlene ganz sicher nichts damit zu tun hatte. Es ist absurd anzunehmen, sie hätte irgendjemanden vergiften wollen. Ich habe mich damals für sie eingesetzt, das dankt sie mir heute noch. Jetzt bekocht sie jedenfalls das Sklavenquartier und ist hier so was wie der ›gute Geist‹. SofernOublier etwas wie gute Geister aufkommen lässt … Ich wundere mich immer, dass dem Pfarrer nicht das Weihwasser verdunstet, wenn er hier die Messe liest.«
    Nora lächelte über Victors Zynismus, auch sie fand Oublier unsympathisch. Der Aufseher ließ jetzt die Sklaven antreten, die mit dem Ausheben der Gräben beschäftigt gewesen waren. Die Männer, kräftige junge Kerle, hatten sich vor Gérôme aufzustellen und den Mèz förmlich zu begrüßen. Das konnte sie noch nachvollziehen, doch das anschließende, vielstimmige »Danke, dass wir auf Roche aux Brumes

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