Sternenfaust - 177 - Verräter unter uns!
Die Milchstraße. Cisalpha, Orionarm, nördlich der galaktischen Hauptebene, keine 26 Lichtjahre von der Erde, dem Zentrum der Solaren Welten, entfernt.
Eine gigantische Staubscheibe erstreckt sich über 210 Lichtstunden und taucht ihre Umgebung in ein rötliches Licht. In der Mitte eine blau-weiße Sonne, doppelt so groß wie Sol, die mit 93 Prozent jener Geschwindigkeit rotiert, die den Stern zerreißen würde.
Um dieses zehntausend Grad heiße Zentrum kreisen siebzehn Planeten, die so manche Begehrlichkeiten wecken, was allein schon dadurch bewiesen ist, dass die Kridan ihm einen Namen gegeben haben: Teganay.
Das klingt weitaus besser als die nüchterne Katalogbezeichnung 10677.
Zwei dieser Welten sind erdähnlich und kreisen in der habitablen Zone, jenem lebensspendenden Bereich, der weder zu heiß noch zu kalt für flüssiges Wasser ist: Wega IV und Wega V.
Nach dem Zweiten Kridankrieg übernahm Wega V die Führung, die zuvor Wega IV innehatte, doch es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis die alte Rollenverteilung wiederhergestellt ist. Der Wiederaufbau der zerstörten Bereiche von Wega IV schreitet voran, und auch die Flüchtlinge, die der Krieg von 2250 auf andere Welten gespült hat – nach Centauri, Epsilon Eridani oder gar zu den Kolonien in Transalpha –, kehren in einem stetigen Strom zurück.
Die Perlensee trennt die beiden Kontinente von Wega IV, den agrarwirtschaftlichen Südkontinent mit seinen Weinbergen und den technisch orientierten Nordkontinent mit Capetown, dem Standort der Wega Universität sowie der Hauptstadt New Hope. In diesem Moloch leben inzwischen wieder fünfzehn von ehemals 27 Millionen Menschen, und den Umkreis der Metropole besiedeln 75 Millionen, die Hälfte von einst. Inmitten dieses Häusermeers erheben sich die Wolkenkratzer von Central City, recken ihre stählernen Skelette, ihre Glasfronten und Antennen in den Himmel, einen Himmel, der anders ist als auf der Erde.
Die Wega brennt auf ihre Kinder hinunter, in einer Helligkeit, die ungeschützte Augen binnen Stunden erblinden lassen würde. Doch der Mensch wäre nicht der, der er ist, wenn er dagegen nichts erfunden hätte: Blenden rund um die Hochhäuser, die sich dem Sonnenstand anpassen, und für die Menschen Augenimplantate, die sich im Wechsel von Licht und Schatten automatisch verdunkeln und wieder durchlässiger werden. Und auch die Evolution spielt den Bewohnern in die Hände: Mit jeder Generation, die auf Wega IV geboren wird, passen sich die Augen besser an die Lichtfülle der Heimat an.
Am Rande dieser Ansammlung aus achthundert Meter hohen Türmen, die wie Hüter über das Häuserdickicht wachen, sticht einer heraus. 175 Stockwerke mit elliptischer Grundfläche, jedes einzeln drehbar, um dem Eigentümer der jeweiligen Etage jenen Ausblick zu verschaffen, auf den er gerade Lust verspürt.
Der Turm ist kein eingefrorener, angehaltener Körper, den Architekten sonst entwerfen. Und jede Menge Glas; Glas, das den stärksten Orkanen standhält, und trotzdem Licht hindurch, aber Wärme draußen lässt. Windturbinen zwischen den Stockwerken und transparente Solarzellen auf den Fensterflächen machen ihn zu einer energietechnisch autarken Stadt innerhalb der Stadt. Großzügige Gleiterparkplätze auf der Spitze und eine U-Bahn-Station im vierzehnten Untergeschoss binden ihn an die Lebensadern von New Hope an. Auf dem Dach, auf den herausragenden Terrassen und auch im Innern der Etagen wächst Grün, um das Auge zu erfreuen und um für organisches Wohlbehagen zu sorgen. Die Pflanzen sind einer der wichtigsten Forschungszweige der Firma, der das Hochhaus gehört: Terraforming Enterprises. Doch das Grün ist nur die oberste Schicht, sozusagen das i-Tüpfelchen der Genetik auf einem Podest aus Materialwirtschaft und Hochtechnologie.
Gleiter schweben auf das Landefeld, die meisten mit Firmenlogos in knallbunten Farben. Männer und Frauen steigen aus, in ihren Händen halten sie entweder Miniaturkameras oder die Fernsteuerung für ihre Kameradrohnen, die ihnen wie fliegende Schoßhündchen auf Schritt und Tritt folgen. Sie alle strömen zum Antigravlift, der sie in die vorletzte Etage des Kolosses bringen wird, wo ein Raum auf sie wartet, dessen Fensterfront gerade Richtung Perlensee schwenkt.
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Wega IV, 15. Dezember 2257
Margaret Barnes, die Pressesprecherin von Terraforming Enterprises , stellte sich neben die Empfangsdame, die sie so wie die anderen Hostessen extra für diesen Event aus
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