Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
was man von ihr erwartete. Sollte sie auf demAusguck bleiben oder erst noch einmal hinunterklettern, bevor die Flagge gewechselt werden musste? Möglicherweise brauchte man zu Letzterem nicht mal in die Segel. Der junge Mann hatte die Piratenflagge über der englischen aufgerollt, und daran hing ein Seil bis hinunter aufs Deck. Gut möglich, dass ein Ruck daran reichte, um die Totenkopfflagge über die andere triumphieren zu lassen.
    Bonnie entschied schließlich, den Ausguck zu verlassen. Schon um an den hektischen Aktivitäten teilzunehmen, die sich eben an Deck entwickelten. Alles war dort in Bewegung, ohne dass Chaos oder Durcheinander herrschten. Die Männer schienen aufgeregt, aber diszipliniert. Sämtliche Abläufe waren wohl lange geübt worden.
    Sanchez, der Quartiermeister, überwachte die Bewaffnung der Piraten, die in einer langen Reihe vor ihm anstanden. Natürlich trug jeder von ihnen stets ein Messer oder eine andere Waffe am Gürtel, jetzt jedoch gab Sanchez Musketen, Äxte, Enterhaken und Entermesser aus. Einige der Männer erhielten Säbel, Jefe, hinter dem Bonnie sich anstellte, wurde eine Art Machete ausgehändigt. Sie hörte, wie der junge Mann gleich Anstalten machte, sich zu beschweren. Ein einfaches Entermesser, fand er, sei eines Kriegers nicht würdig. Er erwarte mindestens einen Degen, besser noch eine Feuerwaffe. Sanchez nahm sich davon aber nichts an.
    »Hast du Säbelfechten gelernt, Caesar?«, fragte er kurz. »Nein, hast du nicht. Also würdest du nur damit rumfuchteln. Und zum Rumfuchteln ist auf dem Deck eines Schiffes kein Platz – erst recht nicht, wenn da fünfzig Leute kämpfen. Und einen Kerl, der noch nie ’ne Muskete abgefeuert hat, brauchen wir auch nicht. Also nimm dein Messer und hau ab …«
    Sanchez griff nach der nächsten Waffe und sah dann erst Bonnie in der Reihe. Er schüttelte sofort den Kopf.
    »Nein, du nicht, Kleiner. Dich schick ich nicht da rüber, dafürbist du mir noch zu spillerig. Mach dich hier nützlich …« Er wies vage über das Deck.
    Bonnie empfand ehrliche Enttäuschung. Sie wollte protestieren, doch Sanchez ließ sich nicht darauf ein.
    »Wer hier kämpft, bestimme ich«, beschied er sie ebenso knapp und entschlossen wie zuvor Jefe. »Und fang jetzt nicht mit deiner Tapferkeit an! Wir glauben dir, dass du deinen Backra fertiggemacht hast – jedoch wohl kaum im Kampf Mann gegen Mann, oder?«
    Bonnie bemühte sich vergeblich, nicht zu erröten.
    Sanchez lachte. »Bobbie, Kleiner, mir ist egal, wie du den Kerl umgelegt hast, es war auf jeden Fall eine reife Leistung. Aber wenn du mit deinem Messerchen einem Mann gegenübertrittst, der dreimal so viel wiegt wie du und zehnmal so oft gekämpft hat, dann haben wir nicht lange was von deinem Adlerauge. Nutz, was du hast, Bobbie, tu, was du kannst! Ab morgen wirst du jeden Tag ein paar Stunden im Ausguck sitzen und nach Handelsschiffen sehen, und heute bleibst du vor allem am Leben. Verstanden?«
    Bonnie nickte eingeschüchtert und machte sich auf die Suche nach irgendeiner Beschäftigung, mit der sie sich auf der Mermaid nützlich machen konnte. Dabei stieß sie auf den Ersten Kanonier, der eben beginnen wollte, die Kanonen zu laden und auszurichten. Der Mann war Engländer, wie sie bereits wusste, die Männer nannten ihn Twinkle. Als Bonnie sich ihm näherte, grinste er ihr zu.
    »He, Neuer! Willst du helfen? Dann zeig mal, wie gut du im Tauziehen bist!«
    Die Mermaid verfügte nur über leichte Kanonen, an jeder Seite waren fünfzehn Zwölfpfünder aufgereiht. Das waren verhältnismäßig wenige Geschütze, verglichen mit den großen Kriegsschiffen, von denen viele bis zu siebzig Kanonen mit sich führten. Auch die Frachtschiffe waren zur eigenen Sicherheitweit schärfer bewaffnet. Sie pflegten die Kanonen auf dem ersten Unterdeck zu befördern und aus »Stückpforten«, einer Art Schießscharten, zu feuern. Den Piraten war die leichte Manövrierbarkeit ihrer Schiffe allerdings wichtiger als Stärke. Die Segler mussten schnell und wendig sein, wozu auch ein geringer Tiefgang beitrug. Man geizte also mit jedem Pfund, das man auf und vor allem unter Deck unterbrachte, und Kanonen waren schwer. Die Eisenrohre und ihr Unterbau wogen mehrere Tonnen. Zur Bedienung der gebräuchlichen Zweiundvierzig- und Zweiunddreißigpfünder wurden zudem ein Dutzend Mann Besatzung gebraucht – viel mehr, als Captain Seegalls Mannschaft dafür abstellen konnte. Die Männer mussten die abgefeuerten Kanonen, die durch

Weitere Kostenlose Bücher