Die Insel der roten Mangroven
Schmerz, als er in sie eindrang, und dann nichts mehr als Freudeund alles umfassende Seligkeit. Victor bewegte sich sanft in ihr, schien sie zu wiegen und mit auf eine zärtliche Reise zu nehmen. Deirdre fühlte sich wie auf einem Boot in einem Strom, träumte von wilden Wassern, über die sie trieben, und die ihr doch nichts antun konnten, solange sie mit Victor zusammen war. Sie hätte noch mehr davon haben mögen – dem Ertrinken in den Wogen vielleicht näher kommen, bevor sie in einem Regenbogen von Entzücken Rettung fand. Aber dafür würde später noch Zeit sein … sie würden ein ganzes Leben lang Zeit haben, den Strom der Liebe zu erkunden.
Schließlich lagen sich die beiden ermattet in den Armen, die Gesichter gelöst, Deirdres gelocktes und Victors glattes Haar wie ineinander verwoben auf dem Kissen. Deirdre meinte, vor Glück bersten zu müssen, aber dann ergab sie sich doch ihrer Müdigkeit. Der Tag war lang gewesen – und es lagen ja noch unendlich viele vor ihr …
»Ich habe gar keine Lust, mich jetzt wieder unters Volk zu mischen«, seufzte Deirdre, als Amali sie am Morgen schnürte.
Sie war davon aufgewacht, dass Victor an die Kissen gelehnt neben ihr saß und ihr beim Schlafen zusah, und dann hatten sie sich noch zweimal geliebt, bevor sie es schafften, sich voneinander zu lösen und sich dem Tag zu stellen. Amali hatte taktvoll vor der Tür gewartet, bis Victor herauskam, um sich in seinen Räumen anzuziehen. Dann war sie eingetreten, um Deirdre beim Ankleiden zu helfen.
»Die Gäste sind alle noch da, oder?«
Die Zofe lachte. »Alle, die eine weitere Anreise hatten. Natürlich, Missis. Was denken Sie denn? Dass Missis Nora Ihre Gäste ohne Frühstück nach Hause schickt?«
»Ach, ich denke gar nicht mehr …«, seufzte Deirdre wohlig, »ich fliege nur noch. Ist es für dich auch so wunderschön, Amali? Mit deinem Lennie? Ist er auch so … so sanft, so liebevoll, so …«
Amali zuckte die Schultern und half Deirdre in ein leichtes Hauskleid. »Lennie ist mehr wie ein Wirbelsturm«, bekannte sie. »Man kommt kaum zum Luftholen. Aber ja, es ist schön, Missis! Und ich bin sehr froh, dass es sich so für uns fügt, dass er Hausnigger werden darf bei Ihnen und Backra Victor. Hier hätte meine Mommy uns nur Ärger gemacht. Hochzeit mit einem Feldnigger … das hätte sie nie gestattet! Und Lennie ist auch ganz dankbar. Er wird alles gut machen und sehr treu sein, sagt er!«
Deirdre dankte ihr lächelnd, obwohl auch sie Lennies Beförderung mittlerweile etwas skeptisch sah. Kwadwo klagte, dass man den jungen Mann nicht aus den Augen lassen dürfe. Was immer er anfasste, ging schief. An seiner Treue musste man also wahrscheinlich nicht zweifeln – Lennie war viel zu beschränkt, um Fluchtpläne zu schmieden. Deirdre schmunzelte über diesen Gedanken, verzichtete aber wohlweislich darauf, ihn mit Amali zu teilen. Die hielt ihren Lennie immer noch für vollkommen.
Schließlich schwebte Deirdre in ihrer Wolke von Glückseligkeit die Treppe hinunter. Im Speisezimmer wurde den verbliebenen Gästen gerade ein deftiges Frühstück serviert, neben dem traditionellen Stockfisch mit Okraschoten gab es Eier und kleine Würstchen, auch Fladenbrot und ein scharfes Linsengericht, das die Gäste in den höchsten Tönen lobten. Nora verriet ihnen nicht, dass das Rezept aus Afrika stammte. Sie hatte in Nanny Town von den befreiten Sklaven kochen gelernt und nach ihrer Rückkehr auch Adwea ermutigt, Gerichte aus ihrer Heimat auf den Tisch zu bringen.
Nun beobachtete sie, wie der vornehme Gérôme wie ein leibhaftiger französischer Gourmet von den Speisen kostete und dann wenig diplomatisch anmerkte, er habe zumindest in einem englischen Hause noch nie so gut gespeist.
Die Gäste begrüßten das junge Ehepaar mit launigen Bemerkungen und Victor wohl auch mit anzüglichen Scherzen. Norabetrachtete ihre Tochter forschend, war aber beruhigt, als sie das überirdische Strahlen auf Deirdres Gesicht sah. Auch mit der körperlichen Liebe schien es also gut zu gehen zwischen den jungen Leuten. Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, wenn sie ihre Tochter mit Victor in die Fremde schickte.
Mit der Abreise wurde es nun auch ernst, am zweiten Tag nach der Hochzeit lief das Schiff nach Saint-Domingue aus. Und tatsächlich war es keine weite Reise, bei gutem Wind konnten sie Hispaniola in nur zwei Tagen erreichen.
»Ihr kommt uns doch sicher besuchen, sobald wir uns eingerichtet haben!«, tröstete
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