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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Deirdre ihre Mutter, als Nora sich beim Abschied die Augen wischte. »Und wer weiß, vielleicht werdet ihr ja übers Jahr schon Großeltern …«
    Deirdre war noch nie auf See gewesen und verfolgte nun voller Spannung, wie das Schiff ablegte und aufs offene Meer hinaustrieb, während das Ufer von Jamaika immer kleiner wurde und schließlich mit dem Horizont verschwamm. Victor hatte den Arm um sie gelegt, um sie zu trösten, aber bei Deirdre überwog die Abenteuerlust bei Weitem den Abschiedsschmerz. Sie verbrachte den Tag an Deck und jubelte, als sie Delfine sah, die das Schiff begleiteten.
    »Vor Hispaniola wirst du auch Wale sehen«, prophezeite ihr Victor. »Sie kommen dorthin, um Hochzeit zu feiern. Zum Glück sind sie friedlich. Sonst müsste man sich fürchten, die Tiere sind fast so groß wie unser Schiff.«
    »Wie schön, dass alle Hochzeit feiern!« Deirdre lachte. »Ach, Victor, ich komme mir vor, als wäre mein Leben ein einziges großes Fest, seit ich mit dir zusammen bin.«
    Ihre glückliche Stimmung hielt während der gesamten Reise an. Natürlich reisten die Dufresnes Erster Klasse. Victor und Deirdre hatten eine luxuriös ausgestattete Kabine, in deren breitem Bett sie sich die ganze Nacht liebten. Die Liebenden überließen sich ganz dem Rhythmus der Schiffsbewegungen und fühlten sich eins mit dem Meer und den Gezeiten, als sie morgens durch das Bullauge den Sonnenaufgang verfolgten.
    Amali, Lennie und Nafia hatten es auf dem Zwischendeck nicht so bequem. Die Sklaven der Passagiere waren in engen Quartieren ohne Fenster zusammengepfercht. Für Lennie war das besonders schlimm, er litt unter Platzangst. Als kleines Kind war er mit seiner Mutter aus Afrika gekommen – was selten war, die Sklavenhändler nahmen Kinder unter zwölf Jahren so gut wie nie mit sich, und wenn doch, dann überlebten nur die wenigsten von ihnen die Überfahrt. Lennies Mutter musste es wohl gelungen sein, an das Herz eines der Männer zu rühren, und irgendwie brachte sie ihren Sohn lebend nach Jamaika. Allerdings fürchtete der Junge sich seitdem vor Enge und Dunkelheit. In dem Verschlag im Zwischendeck machte er kein Auge zu. Nafia, die alle paar Minuten aufstehen und zu dem längst völlig verdreckten Abtritt taumeln musste, da sie unter der Seekrankheit litt, ging es auch nicht besser. Amali war wie gerädert, als sie am Morgen zu ihrer Herrin kam, um ihr beim Ankleiden und Frisieren zu helfen.
    »Und dabei geht es bei uns noch!«, erzählte sie Deirdre. »Weil der Backra sich ja für Lennie verbürgt hat. Die anderen schwarzen Männer sind fast alle angekettet. Vorschrift auf See, sagt der Maat. Damit sie keinen Aufstand anzetteln und das Schiff entern.«
    Deirdre hielt das für Unsinn. Was sollten die schwarzen Sklaven mit einem geenterten Schiff anfangen? Und waren es nicht auch viel zu wenige für einen Aufstand? Als sie dann jedoch genauer hinsah, stellte sie fest, dass die Schwarzen an Bord den weißen Herren zahlenmäßig überlegen waren. Die Reisenden zwischen den Inseln waren entweder Pflanzer oder Kaufleute, und alle führten Dienerschaft mit sich. Würden sich diese meist kräftigen, durch die harte Arbeit auf den Plantagen gestärktenMänner tatsächlich zusammenrotten, so könnten sie die Besatzung des Schiffes überwältigen und den Segler übernehmen. Natürlich war das unwahrscheinlich, erst recht auf einer so kurzen Reise, aber viele Kapitäne und Reisende hegten tief sitzende Ängste. Es gab verhältnismäßig wenige Sklavenaufstände auf den Inseln, die jedoch verliefen meist blutig. Wenn die Schwarzen rebellierten, hatten sie nichts mehr zu verlieren und schlugen entsprechend erbarmungslos zu.
    Deirdre und Victor genossen und Amali und ihre Familie durchlitten einen weiteren Tag und eine Nacht auf See, bis der kleine Segler schließlich im Hafen von Cap-Français anlegte. Neugierig spähte Deirdre nach ihrer neuen Heimat aus und wurde nicht enttäuscht. Die Stadt zeigte sich im Morgenlicht von ihrer besten Seite. Nach einem nächtlichen Tropenregen schien jetzt wieder die Sonne, und die bunten Holzhäuser des Hafenviertels wirkten wie frisch gewaschen. Sanfte Kräuselwellen reflektierten das Sonnenlicht in der Bucht, Deirdre sah Palmen und grüne Hügel, die sich im Hinterland der Stadt auftaten.
    »Es ist so hübsch!«, freute sich Deirdre, als sie an Land kamen.
    Sie fanden sich gleich inmitten eines quirligen Wochenmarktes wieder, auf dem Gemüse und Früchte feilgeboten wurden, auch frischer

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