Die Insel der roten Mangroven
Praxis ja bereits eröffnet, und nun wollten mich die Patienten kaum gehenlassen, um dich zu holen. Natürlich werde ich dich oft allein lassen müssen. Man ruft mich auch von weiter weg gelegenen Plantagen.«
»Dann komme ich einfach mit!«, erklärte Deirdre vergnügt – seinen skeptischen Blick geflissentlich übersehend. »Vielleicht kann ich dir ja mit irgendetwas zur Hand gehen. Wenn ich erst mal besser Französisch kann …«
Deirdres und Victors Hochzeitsfest stellte schließlich alle Bälle in den Schatten, die je auf Cascarilla Gardens gefeiert worden waren. Das Haus glänzte im Schmuck unzähliger roter und weißer Blüten – Nora hatte erlaubt, ihren Garten zu plündern. Der bot allerdings immer noch genügend Wunder mit all seinen blühenden Orchideen. Er war auch wieder mit Girlanden und Lampions geschmückt, und dazu entzündeten die Diener Hunderte von Kerzen, als es zu dämmern begann. Champagner wurde serviert, und Adwea braute aus Rosellefrüchten, Gewürzen und Rum einen Hochzeitspunsch, der besonders bei den männlichen Gästen großen Anklang fand. Victor und Deirdre tauschten die Ringe unter dem Blauen Mahoe, den die bunten Lampions in ein unwirkliches Licht tauchten.
Tatsächlich fand sich dieses Mal sogar der Gouverneur zum Fest auf der Plantage ein – sicher froh, dass er den hübschen Stein des Anstoßes im Haus der Familie Fortnam jetzt nach Hispaniola loswurde. Admiral Knowles widmete sich ausführlich dem Bruder des Bräutigams, und Gérôme fühlte sich geschmeichelt, als er höflich Konversation mit ihm machte. Er würde seinen Eltern berichten können, dass die Fortnams wirklich in den besten Kreisen Jamaikas verkehrten. Father Theodor gestaltete die Trauung sehr feierlich – Deirdres Taufe und die ihrer Diener hatte er schon am Tag zuvor im engsten Familienkreis zelebriert.
Schließlich gab es ein Bankett, bei dem Adwea sich selbst übertraf. Den Höhepunkt bildete eine prächtige dreistöckigeHochzeitstorte mit in Rum eingelegten Früchten, und mit Sahne aufwendig dekoriert – ihr Meisterstück. Deirdre und Victor schnitten sie lachend an und bedienten höchstpersönlich die Gäste. Deirdre bedauerte nur, dass sie ihr selbst kaum zusprechen konnte – das sahneweiße Hochzeitskleid war wunderschön, verlangte aber ein eng geschnürtes Korsett. Auf lange einstudierte Schautänze folgte der Ball, den der Tanzmeister als Hommage an den Bräutigam auf Französisch dirigierte. Die jamaikanischen Pflanzer zeigten sich allerdings etwas indigniert darüber, dass auch vom Sklavenquartier aus Musik herüberwehte – wesentlich lauter und fröhlicher als das Quartett aus Kingston, das für die Weißen aufspielte. Die Fortnams hätten es sich jedoch niemals nehmen lassen, auch für ihre Leute ein Fest auszurichten. Die Haussklaven, die an diesem Abend auf der Feier der Weißen bedienten, sollten am nächsten Tag nachfeiern dürfen. Bei Gérôme stieß dies erstaunlicherweise nicht auf Unverständnis. Auf Saint-Domingue war es durchaus üblich, die Schwarzen an Familienfeiern am Rande teilhaben zu lassen. Auch zu Weihnachten, erklärte Gérôme der freudig überraschten Deirdre, pflegten die Dufresnes ihre Sklaven mit einem Festmahl und reichlich Bier und Rumpunsch zu bewirten.
Deirdre genügte es allerdings nicht, den Leuten im Sklavenquartier Tanz und ein Festessen zu ermöglichen. Sie wollte auch mit ihnen feiern, und so schlichen sich Deirdre und Victor um Mitternacht kurz vom Ball fort, um sich den Schwarzen zu zeigen und ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Die beiden kamen gerade rechtzeitig im Hüttendorf an, um mitzuerleben, wie Kwadwo den Göttern ein Huhn opferte.
»Ihnen zu Ehren, Missis!«, erklärte der Obeah-Mann und nickte Deirdre zu.
Für Victor war das ein wenig zu viel der Toleranz. Er rügte die Sklaven für ihre heidnischen Bräuche. Deirdre dagegen schwankte zwischen Neugier und Beunruhigung. Als Amali amspäten Abend in ihre Räume kam, um ihr beim Auskleiden zu helfen, nahm sie die Zofe beiseite.
»Was hat er gesagt, Amali? Kwadwo, meine ich. Sind die Götter … werden die Geister uns … gewogen sein?« Deirdre wusste, dass Kwadwo bei Geburten und Eheschließungen eine Art Orakel befragte.
Amali biss sich auf die Lippen. »Ich weiß nicht …«, murmelte sie. »Also zu Lennie und mir hat er gesagt …«
Lennie und Amali hatten im Sklavenquartier ebenfalls Hochzeit gefeiert, indem sie gemeinsam über einen Besen hüpften. Doug hatte diesen
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