Die Insel der roten Mangroven
einfanden, und wünschte schließlich alle zur Hölle – von der Gouvernante über den Geistlichen bis zu dem wirklich ziemlich begriffsstutzigen Lennie, über den Kwadwo sich ständig beschwerte. Es war fraglich, welche Aufgaben er im neuen Haushalt würde übernehmen können – in Cap-Français würden Deirdre und Victor ein Auge auf ihn haben müssen.
Das alles war jedoch vorerst vergessen, als die Hochzeit endlich näher rückte und Victor auf Cascarilla Gardens eintraf. Von seiner Familie begleitete ihn nur einer seiner älteren Brüder – die Eltern und der designierte Erbe schienen auf der Dufresne-Plantage unabkömmlich zu sein.
»Sie werden aber selbstverständlich einen großen Empfang für uns geben und die Hochzeit sozusagen nachfeiern, sobald wir auf Saint-Domingue ankommen«, beeilte Victor sich zu versichern. Er wollte auf keinen Fall den Verdacht aufkommen lassen, die Dufresnes seien womöglich nicht einverstanden mit der Wahl ihres Sohnes.
Deirdre machte sich jedoch keine Gedanken darüber, und Nora und Doug war es ganz recht, dass die Dufresnes auf einen Besuch Jamaikas verzichteten. Die Fortnams waren sich nicht sicher, ob Victor seinen Eltern reinen Wein über Deirdres Abstammung eingeschenkt hatte. Als sie Gérôme, seinen Bruder, etwas näher kennenlernten, bezweifelten sie das ernsthaft.
Gérôme trat gänzlich anders auf als sein Bruder. Er kleidete sich auffälliger und mit äußerster Eleganz, verzichtete nie auf ein Pudern von Haar und Gesicht, und zu besonderen Anlässen trug er selbstverständlich eine aufwendige Perücke. Der tiefschwarze Leibdiener, der ihm stets schweigend auf dem Fuße folgte, schien sich vor ihm zu ducken, und den Schwarzen auf Cascarilla Gardens gegenüber verhielt Gérôme Dufresne sich herrisch und ungeduldig. Dazu sprach er kaum Englisch und sein Sklave natürlich erst recht nicht, er konnte die Befehle seines Herrn nicht an die Hausdiener der Fortnams weitergeben. So vermochten sie Gérômes Wünschen beim besten Willen nicht so schnell und selbstverständlich nachzukommen, wie er es gewohnt war. Dafür brachte er jedoch keinerlei Verständnis auf.
Es kam sehr bald zu Spannungen, und Benoît, Gérômes Diener, fand sich hilflos in ihrem Zentrum. Nora musste ständig vermitteln und übersetzen, was ihr nicht leichtfiel. Benoît sprach auch kein fließendes Französisch, sondern ein spezielles Patois. Oft klappte die Verständigung nur mit Händen und Füßen. Gérôme wurde zusehends unleidlicher, und Nora, die sich so lange vor dem Tag von Deirdres Abreise gefürchtet hatte, begann nun fast, ihn herbeizusehnen.
Obwohl Gérômes mangelnde Englischkenntnisse auch ihr Gutes hatten, wie Doug ihr begütigend vor Augen führte. »Wir sollten ihn zwar trotzdem bei der Hochzeit nicht allein mit irgendwelchen scharfzüngigen Ladys lassen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ihm jemand Deirdres Geschichte ganz nebenbei erzählt, ist doch eher gering«, meinte er. »Denn du stimmst sicher mit mir überein, dass es besser ist, wenn er es nicht erfährt.«
Nora nickte. Der arrogante Gérôme wäre wahrscheinlich entsetzt gewesen, mit einer halben Schwarzen verschwägert zu werden. Und mit seinen Eltern dürfte es sich kaum anders verhalten. Laut Gérôme verfügte die Kaffee- und Zuckerrohrplantage der Dufresnes über mehr als dreihundert Feldarbeiter, dazu kamen ein Heer von Dienern und Küchenhelfern im Haus. Gérôme hielt sie alle für faul und widerspenstig. Auf die Selbstverwaltung der Sklaven auf Cascarilla Gardens reagierte er ebenso düpiert wie Dougs Nachbarn und Geschäftsfreunde.
Nora sorgte sich ein wenig um Deirdres Verhältnis zu ihrem künftigen Schwager – die junge Frau hatte mit Stutzern wie ihm wenig Geduld, und ihre Mutter befürchtete, sie würde gleich das erste Mitglied ihrer neuen Familie brüskieren, das sie kennenlernte. Das erwies sich jedoch als unbegründet. Deirdre bemerkte Gérôme und seinen unglücklichen Leibdiener kaum. Seit Victor endlich wieder da war, hatte sie nur noch Augen für ihn. Die Trennung hatte der Anziehung zwischen den Brautleuten keinen Abbruch getan, sie strahlten sich den ganzen Tag an und konnten die Augen kaum voneinander lassen. Victor schilderte Deirdre ihr neues Haus in glühenden Farben – und reagierte gelassen darauf, dass seine zukünftige Frau drei Bedienstete mitnehmen wollte.
»Ich werde mich eben mühen müssen, all die Leute zu ernähren.« Er lächelte. »Aber es sieht gut aus, ich habe die
Weitere Kostenlose Bücher