Die Insel der roten Mangroven
bildete Adwea hervorragende Küchenmädchen, Zofen und Hausdiener aus, die der Familie und ihren Gästen zur Verfügung standen.
Auf Deirdre warteten jetzt allein drei schwarze Mädchen, die schon aufgeregt nach ihr ausgeschaut hatten.
»Missis, jetzt aber schnell!«
Amali, das älteste der Mädchen, konnte Deirdre nicht rasch genug aus dem Reitkleid helfen. Genet, das zweite, hielt eine Schüssel warmes Wasser und einen Schwamm bereit, damit Deirdre sich abreiben und erfrischen konnte. Deirdre vermerkte genüsslich, dass das Wasser nach Rosen und Lavendel duftete, die Mädchen mussten ein paar Tropfen der Blütenessenzen hineingegeben haben. Sie wusch sich rasch, während Amali und Genet bereits seidenes Unterzeug, Strümpfe und das unvermeidliche Korsett für sie bereithielten.
Die meisten Damen der Gesellschaft hätten dabei nicht selbst zum Schwamm gegriffen. Fast alle überließen sich, was ihre Körperpflege anging, gänzlich ihren schwarzen Dienerinnen. Nora hatte allerdings immer Wert darauf gelegt, dass Deirdre selbstständig wurde. Sie fand es peinlich, sich bis in die intimsten Geheimnisse ihres Körpers der Dienerschaft zu offenbaren und hatte diese Scham auch ihrer Tochter vermittelt. Deirdre hatte keine »Leibsklavin« – obwohl sie es manchmal durchaus genoss, wie eine Prinzessin behandelt zu werden.
Kinah, das dritte der Mädchen, verstand sich aufs Frisieren. Sie bestand darauf, Deirdres Haar zu lösen und auszubürsten, bevor sie sich ankleidete.
»Es ist doch ganz schmutzig, Missis, und wenn der rote Sand auf das weiße Kleid kommt …«
Deirdre kicherte bei dem Gedanken an Quentin Keensleys verstaubten Feststaat und ließ die Mädchen an der Geschichte seiner Niederlage beim Rennen teilhaben. Die drei lachten denn auch bereitwillig mit. Vor allem die gleichaltrige Amali war Deirdre mehr Freundin als Hausangestellte.
»Aber wenn Sie so mit den jungen Gentlemen umgehen«, gab das Mädchen jetzt zu bedenken, »werden Sie nie einen Mann finden, Missis! Sie haben es uns doch vorgelesen: Ein Mädchen soll bescheiden sein und sanft und freundlich. Da stand nichts von Pferderennen in Ihrem Buch!«
Deirdre besaß mehrere Bücher aus England, in denen erklärt wurde, wie sich junge Ladys der besseren Gesellschaft zu benehmen hatten. Nora bestellte diese Literatur pflichtschuldig – getrieben von ihrem schlechten Gewissen. Sie wusste genau, dass sie ihre Tochter und auch die jüngeren Söhne erheblich zu frei aufwachsen ließ. Die Fortnam-Kinder spielten mit dem Nachwuchs der Sklaven in der Küche, im Garten und auch im Quartier der Schwarzen. Sie konnten schwimmen und reiten, trieben sich am Strand, im Wald und auf den Zuckerrohrfeldern herum. Deirdre hatte erst mit fünfzehn angefangen, halbwegs regelmäßig Schuhe zu tragen.
Ihr Hauslehrer, der sanfte Schotte Ian McCloud, nahm es mit der strengen Erziehung auch nicht allzu genau. In Sachen Durchsetzungsfähigkeit hatte er schon versagt, als Doug ihn ursprünglich als Aufseher für seine Sklaven eingestellt hatte. Nun war das durchaus im Sinne der Fortnams gewesen. Tatsächlich organisierten sich die Schwarzen in Cascarilla Gardens ganz hervorragend selbst unter Kwadwos Führung. Aber Doug hatte sich irgendwann dem Druck der Nachbarschaft fügen müssen, die ein Sklavenquartier ohne Aufseher als Gefährdung der öffentlichen Ordnung ansahen. Also stellte er McCloud auf Cascarilla Gardens ein. Der verbrachte die ersten Jahre auf der Plantage meist lesend oder träumend unter einer Palme – während seine Gattin Priscilla, ein selbst ernanntes Medium, Geister beschwor. Erst mit den Fortnam-Kindern fand Mister Ian, wie ihn die Schwarzen riefen, zu seiner wahren Berufung. Er vermittelte erst Deirdre und dann ihren jüngeren Brüdern eine umfassende Bildung. Doug schickte seine Kinder nicht nach England zur Schule, er hatte traumatische Erinnerungen an die eigene Zeit im Internat. Wenn Thomas und Robert später einmal studieren wollten, konnten sie immer noch ins Mutterland reisen.
»Vom Reiten stand sehr wohl etwas in den Büchern«, erklärte Deirdre jetzt, während sich Kinah mit ihrem Haar abmühte. »Doch nur Unsinn! Der Kavalier müsse darauf achten, dass seiner Dame nur das sanftmütigste und langsamste Pferd zur Verfügung gestellt würde … Aber in England scheint man wohl nur zum Vergnügen zu reiten, und nicht, um irgendwo anzukommen!«
Nora hatte Deirdre von Ausritten im St. James Park und Reitjagden in Schottland erzählt.
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