Die Insel der roten Mangroven
aus dem anderen kamen gellende Schreie. Victor hatte zunächst das Schlafzimmer Monsieur Courbains betreten und die Tür halb offen gelassen. Mehrere Sklaven bemühten sich darin um den kräftigen Mann, der sich in Krämpfen auf dem Bett wand und dabei vor Schmerzen schrie. Victor kramte in seiner Tasche. Er wirkte zwar gefasst wie immer, aber auch überfordert. Schließlich konnte er sich kaum um drei Patienten gleichzeitig kümmern.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Deirdre.
Victor überlegte kurz. »Es ist eine schwere Vergiftung«, sagte er dann, während er eine Phiole mit einer dunklen Flüssigkeit aus seiner Tasche beförderte. »Wir … wir müssen die Kranken zunächst zum Erbrechen bringen und dann versuchen herauszufinden, was das ausgelöst hat. Das Gift muss heraus aus dem Körper … wenn’s dafür bloß noch nicht zu spät ist …«
Er versuchte, dem Kranken den Inhalt der Phiole einzuflößen. Deirdre sah hilflos zu. Vielleicht hätte sie ihrem Mann anbieten sollen, die gleiche Behandlung bei Madame Courbain zu versuchen, aber wenn sie ehrlich war, traute sie sich das nicht zu.
»Du kannst zu Yvette gehen«, bedeutete ihr dann Victor. »Die Schwarzen sagen, ihr gehe es nicht so schlecht, vielleicht ist sie ansprechbar. Versuch, ob du herauskriegst, wodurch sie sich das geholt haben …«
Deirdre floh aufatmend, während sich Monsieur Courbain auf seinem Bett aufbäumte und einen Schwall Erbrochenes von sich gab. Die Sklaven begannen, ihn zu säubern, Victor suchte nach weiteren Medikamenten. Aus dem Nebenzimmer klang nach wie vor Madame Courbains Wimmern, eine schwarze Dienerin eilte mit einer Schüssel Wasser hinein. Auf dem Flur hockte schluchzend die Köchin.
»Ich nichts gemacht, Madame, mir glauben, nichts, gute Neger …«
»Wo ist denn das Zimmer von Mademoiselle?«, fragte Deirdre. »Der geht es doch nicht so schlecht, oder?«
»Auch schlecht, alles schlecht, sehr schlimm, aber ich nichts gemacht …«
Charlene fuhr mit ihrem Lamento fort, aus ihr war nichts herauszubekommen. Deirdre folgte deshalb einfach einer Zofe, die mit Riechsalz und sauberen Laken in ein weiteres Zimmer schlüpfte. Und tatsächlich lag hier Yvette Courbain auf dem Bett. Totenbleich, die Augen dunkel umrandet und sicher geschwächt, doch sie wand sich nicht in Krämpfen wie ihre Eltern.
»Wie geht es ihr?«, fragte Deirdre die Zofe, die sich anschickte, die besudelte Bettwäsche zu wechseln.
»Sie krank. Übergeben, zwei, drei Mal. Aber jetzt besser. Glaub ich …«, schränkte das Mädchen ein.
»Mir ist sterbensübel!« Yvette Courbains Stimme klangschwach, dennoch schon wieder etwas empört über die Sklavin, die ihr Leiden verharmloste. »Und ich hatte Bauchkrämpfe. Hab sie noch. Es ist schrecklich …«
Es war nicht mit dem zu vergleichen, was Yvettes Eltern durchlitten, doch Deirdre äußerte sich dazu vorerst nicht. Es würde der jungen Frau nicht helfen, wenn sie erfuhr, dass Francine und Yves Courbain womöglich im Sterben lagen. Stattdessen kam sie zu ihrem eigentlichen Anliegen.
»Yvette, was hatten Sie zum Frühstück? Ihre Eltern müssen etwas zu sich genommen haben, von dem Sie weniger gegessen haben. Und es muss beim Frühstück gewesen sein … oder beim Mittagessen? Haben Sie schon zu Mittag gespeist?«
Die junge Frau nickte. »Es fing nach dem Mittagsmahl an«, erklärte sie. »Direkt. Papa ist noch beim Dessert umgefallen und Maman gleich darauf. Bei mir dauerte es ein wenig länger …«
»Und was hat es gegeben?«, fragte Deirdre noch einmal. »Erinnern Sie sich, Yvette, welcher Speise haben Ihre Eltern zugesprochen, aber Sie nicht oder kaum?«
Die junge Sklavin näherte sich mit einer Schüssel Wasser und einem Tuch und begann, der Kranken die Stirn zu kühlen. Yvette stöhnte.
»Die Suppe«, antwortete sie dann. »Ich mag keine Suppen. Mein Vater besteht darauf, dass ich trotzdem immer ein paar Löffel nehme. Und diesmal war es Hühnerbrühe, die ich besonders verabscheue. Ich habe eigentlich nur so getan, als ob ich essen würde, ich nahm höchstens einen Schluck.«
Deirdre biss sich auf die Lippen. Sie hatte keine Ahnung von Medizin, ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr jedoch, dass es nicht gut aussah für Monsieur und Madame Courbain. Wenn ein einziger Schluck von der Suppe so schwere Symptome hervorgerufen hatte, dann musste ein ganzer Teller …
»Und hat es irgendwie anders geschmeckt als sonst?«, erkundigte sie sich.
»Es hat scheußlich
Weitere Kostenlose Bücher