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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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auch niemals wirklich wichtig gewesen, sie hatte sich immer nur als Doug Fortnams Tochter gesehen. Aber jetzt … Es war paradox, sie befand sich in einem Land, in dem niemand von ihrer Herkunft wusste. Sie war völlig in Sicherheit. Dennoch empfand sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben als schwarz.
    Deirdre schmiegte sich in Victors tröstliche Umarmung. »Können wir gleich morgen Freibriefe schreiben?«, fragte sie leise. »Für Amali, Nafia und Lennie? Ich … ich möchte, dass sie sicher sind.«
    Victor nickte. »Wenn du meinst, dass sie als freie Schwarze bei uns bleiben.«
    Deirdre fuhr empört auf. »Amali ist meine Freundin!«, rief sie. Doch dann lächelte sie und nahm dem Gespräch damit endlich die Spannung. »Ist es nicht der Sinn des Freibriefs, dass sie das selbst entscheiden?«
    Victor küsste sie. »Sie werden schon bleiben«, sagte er sanft. »Wer könnte dich je verlassen?«

KAPITEL 5
    A m nächsten Tag ritt Victor mit Deirdre aus und zeigte ihr die Plantage. Pferde und ein Damensattel fanden sich in den Ställen der Dufresnes. Deirdre wäre zwar lieber im Herrensitz geritten, aber das hätte Victors Mutter zweifellos nicht gutgeheißen. Also ließ die junge Frau zu, dass er ihr galant auf eine kleine, zierliche Stute mit edlem Kopf und seltsamem Gangwerk half. Deirdre stellte gleich darauf verwundert fest, dass man fast erschütterungsfrei im Sattel saß, auch wenn das Pferdchen sich in Trabgeschwindigkeit bewegte.
    »Man nennt das Amble«, bemerkte Victor, »oder eigentlich Paso Llano. Die Pferderasse – Paso Peruano – stammt aus Peru, wie schon der Name sagt. Kolumbus hat sie mit nach Hispaniola gebracht, wir züchten sie hier weiter. Sie sind gut zu reiten und sehr angenehm im Umgang – allerdings würde Alegría wohl auch die schnellsten von ihnen abhängen.«
    Deirdre genoss den Ritt auch ohne schnelle Galoppaden. Die in hügeligem Gelände gelegene weitläufige Plantage gefiel ihr. Die Dufresnes schienen über unermesslich viel Land zu verfügen. Nicht alles war kultiviert, doch viele der naturbelassenen Wälder waren mit Wegen durchzogen. So kam man nicht nur durch Tabak- und Kaffeepflanzungen, sondern konnte auch über schattige Wege unter alten, riesigen Bäumen reiten. Der Wald auf Nouveau Brissac vermittelte noch mehr den Eindruck von Dschungel und Urwald als die lichteren Wälder in Küstennähe. Das sehr feuchte Klima sorgte für üppigsten Wuchsvon Moosen, Farnen, dickblättrigen Sträuchern und Kletterpflanzen.
    »Das wäre etwas für meine Mutter.« Deirdre lachte, als sie eine kleine Orchidee mit Luftwurzeln entdeckte. »Die würde sie bestimmt mitnehmen und in ihren Garten pflanzen. Wie schade, dass man sie nicht per Post schicken kann.«
    In den kultivierten Teilen der Plantage war die Ernte in vollem Gange. Gérôme und Gisbert Dufresne hatten sich schon früh verabschiedet, um die Arbeiten zu überwachen. Deirdre und Victor trafen sie an den Trocknungsplätzen und in den Fermentationshäusern. Deirdre wunderte sich, dass sie auch zur Arbeit elegant gekleidet waren. Nicht einmal hier verzichteten sie auf Kniehosen, Schuhe mit hohen Absätzen und Justaucorps.
    »Na ja, schmutzig machen sie sich ja auch nicht«, bemerkte sie später. Eigentlich fragte sie sich, was die Männer überhaupt machten.
    Deirdre war ein bisschen traurig, als sie und Victor schließlich zurück zum Haupthaus ritten und Victor ihr vor den Ställen vom Pferd helfen wollte. Sie war nach dem großen Dinner am Abend und dem Frühstück am Morgen noch nicht wieder hungrig und hatte nicht die geringste Lust auf ein mehrgängiges Mittagsmahl in der förmlichen Atmosphäre, die Louise Dufresne um sich verbreitete. Doch tatsächlich hatten sie über den Ritt die Zeit vergessen, wie Victor mit einem Blick auf seine Taschenuhr feststellte und seiner Frau erschrocken mitteilte. Eigentlich hätten sie sich schon eine Stunde früher bei Victors Eltern einfinden müssen. Womöglich würde man sie gleich also auch noch tadeln …
    Bevor Deirdre jedoch absteigen konnte, kam ein kleiner schwarzer Page aufgeregt aus den Ställen und wandte sich in raschem Patois an Victor. Deirdre verstand kein Wort, war aber umso verwunderter, als nun, nach dem Jungen, auch Louise Dufresne aus der Tür trat. Natürlich trug sie kein Reitkleid,sie raffte unglücklich die Röcke. Zwei schwarze Mädchen versuchten, ihre Schleppe zu tragen, ein anderes lief ihr mit einem Sonnenschirm nach. Wie ein Spaziergang wirkte das nicht. Es

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