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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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musste gewichtige Gründe für die Dame gegeben haben, ihre Räume zu verlassen.
    »Ah, Victor, gut, dass du da bist! Wir hätten sonst jemanden ausschicken müssen, dich zu suchen. Denk dir, wir erhielten eben Nachricht von den Courbains. Sie sind alle drei erkrankt. Vor allem Monsieur und Madame winden sich in Krämpfen, tat der Bote kund. Sie müssen irgendetwas gegessen haben … und womöglich … womöglich an meinem Tisch!«
    Madame Dufresne wirkte überaus erregt, schien sich jedoch weniger um ihre Nachbarn zu sorgen als um den guten Ruf ihrer Küche.
    »Auf jeden Fall brauchen sie einen Arzt«, endete sie aufgeregt.
    Victor nickte und wies den Pagen an, seine Arzttasche aus seinen Räumen zu holen.
    »Ich reite sofort los«, versicherte er. »Aber dass sie sich hier irgendwie vergiftet haben, glaube ich nicht. Wir haben doch alle das Gleiche gegessen und getrunken, und niemand von uns ist erkrankt. Mach dir keine Sorgen, Mutter, ich werde mich darum kümmern …« Damit machte er Anstalten, sein Pferd wieder zu ersteigen.
    Deirdre, die immer noch im Sattel saß, erkannte ihre Chance. »Kann ich dich vielleicht begleiten?«, fragte sie. »Ich … könnte helfen oder …«
    »… oder die Damen zumindest ein wenig unterhalten«, beendete Victor lächelnd ihren Satz. Als besonders ernst schien er die Situation nicht einzuschätzen. »Etwas Trost wäre sicher willkommen …«
    Madame Dufresne nickte. »Ich werde euch Wein mitgeben«, sagte sie. »Auch das mag helfen. Es ist auf jeden Fall eine nette Geste …«
    Kurz darauf waren Victor und Deirdre wieder unterwegs, Victor mit seiner schwarzen Arzttasche im Gepäck, Deirdre mit zwei Flaschen französischen Rotweins in den Satteltaschen.
    »Ich würde ja vermuten, dass der Wein die Sache gerade erst verursacht hat«, bemerkte Victor mit eher strengem Blick auf das Mitbringsel. »Monsieur Courbain hat gestern ganz schön tief ins Glas geblickt, eine Magenverstimmung scheint mir da nicht ausgeschlossen.«
    Trotz seiner verhältnismäßig unbekümmerten Sicht der Dinge eilte sich der junge Arzt, zu seinen Patienten zu kommen. Deirdre kam also doch noch in den Genuss eines recht schnellen Rittes, obwohl auch der Galopp ihres Pasos nicht an das Tempo ihrer Vollblutstute heranreichte. Victor wählte keine gefälligen Strecken, sondern ritt auf direktem Weg durch Tabak-, Kaffee- und Zuckerrohrpflanzungen, ohne sich durch die Arbeitskolonnen und die Aufseher aufhalten zu lassen, die sie passierten.
    Dennoch brauchten sie eine gute Stunde, um die Nachbarplantage zu erreichen, die Entfernungen waren weitaus größer, als Deirdre es von Jamaika gewöhnt war. Und was sie dann in dem Herrenhaus vorfanden, das sich an Pracht fast mit der Plantage der Dufresnes messen konnte, entsprach absolut nicht dem harmlosen Szenario, das Victor erwartet hatte.
    »Sich eilen, Doktor!«, rief ihnen ein großer Schwarzer schon zu, als sie die Auffahrt hinaufritten. »Ist ganz schlimm, sagt Köchin. Ist ganz böse …«
    Er nahm Victor sein Pferd denn auch direkt ab, sodass der schnell ins Haus laufen konnte. Deirdre folgte ihm. Noch in der Eingangshalle wurde der Arzt von einer dicken schwarzen Frau abgefangen, die wie ein Wasserfall auf ihn einredete und kurz davor schien, sich vor ihm auf die Knie zu werfen. Als er sie glücklich abschütteln konnte und die Treppen hinaufeilte, wandte sie sich an Deirdre.
    »Sie mir glauben, Madame! Bitte, Sie mir glauben! Ich nichtgemacht. Ich nicht vergiften Mèz! Ich gute Köchin, treu, nicht tun nix in Essen von Mèz …«
    Deirdre verstand. Die Frau sah sich Vorwürfen ausgesetzt oder befürchtete zumindest, für die Erkrankung ihrer Herrschaften verantwortlich gemacht zu werden.
    »Das wird sich bestimmt alles klären!«, sprach Deirdre ihr beruhigend zu. »Wenn du nichts getan hast, brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. Und es ist ja bestimmt auch bald wieder gut, der Doktor gibt deinem Herrn eine Medizin …«
    Die Köchin schüttelte den Kopf. Ihr feistes Gesicht war schweißüberströmt und grau vor Angst, ihre krausen Haare hatten sich aus dem adretten Turban gelöst.
    »Nicht wieder gut. Nicht glauben Charlene. Glauben, dass sterben. Ist sehr schlimm, Madame, sehr schlimm …«
    Deirdre beschloss, nicht darauf zu warten, dass sie irgendjemand in Empfang nahm. Sie folgte ihrem Mann einfach die Treppe hinauf und wurde schnell selbst gewahr, wie schlimm es um die Courbains stand. Aus einem der Zimmer drang jämmerliches Wimmern,

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