Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Gespräch. »Ich meine … Sie werden die Männer doch fassen, bevor sie einen Monat weg sind. Da kann man die Bestimmungen auslegen …«
    »Was denn für Bestimmungen?«, fragte Deirdre neugierig.
    Auf Jamaika entschieden die Pflanzer selbst, wie sie flüchtige Sklaven bestraften. Meist wurde ausgepeitscht, aber bei mehrmaligem Fluchtversuch schlug man den Männern oft einen Fuß ab.
    »Es gibt hier Gesetze zur Bestrafung flüchtiger Sklaven«, antwortete Victor unwillig. »Doch das ist wirklich kein geeignetes Tischgespräch für eine Runde mit Damen, Vater, Monsieur …«
    »Beim ersten Mal schneidet man den Kerlen die Ohren ab, beim zweiten Mal die Achillessehne durch und beim dritten Mal werden sie gehenkt«, bemerkte Yvette Courbain gelassen. Sie schien nicht zimperlich zu sein.
    Louise Dufresne strafte sie mit einem unwilligen Blick. Sie nickte ihrem Sohn eben zu. Ein derart unappetitliches Thema wünschte sie an ihrer Tafel nicht auszubreiten.
    Deirdre bemerkte das Unbehagen ihrer Schwiegermutter jedoch nicht. »Und … und man kriegt sie immer?«, fragte sie tonlos. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet.
    »Nicht immer.«
    Victor und Monsieur Courbain sprachen die Worte fast gleichzeitig aus, bei Victor klangen sie tröstlich, bei Courbain jedoch aufgebracht. »Die verfluchten Maroons …«
    Dufresnes Nachbar wollte gleich mit einer Schimpftirade fortfahren, doch nun wurde es wohl auch seiner Gattin ein wenig zu bunt.
    »Bitte, Yves«, sagte sie beschwichtigend und hob die Hand. »Wir sollten wirklich zu etwas … hm … erbaulicheren Themen übergehen. Wie gefällt Ihnen Cap-Français, Madame Dufresne? Hatten Sie bereits Gelegenheit, die neue Kirche zu besuchen? Und Ihr Haus? Wir sind so gespannt darauf, das Stadthaus der Dufresnes zu sehen … Sie kommen auch von einer recht großen Plantage?«
    Deirdre gab erleichtert Auskunft über Cascarilla Gardens,lobte die Schönheiten Hispaniolas und hob hervor, dass ihr Haus in jeder Beziehung ihren Vorstellungen und Wünschen entspreche.
    »Es ist natürlich nicht so prunkvoll wie dieses hier, aber dafür … dafür brauchen wir auch weniger Leute und sind mehr unter uns, und …«
    Yvette kicherte.
    »Das junge Glück …«, bemerkte Gérôme.
    Deirdre biss sich auf die Lippen. Doch dann beschloss sie, sich nicht einschüchtern zu lassen. »Ja, wir sind sehr glücklich!«, versicherte sie der gesamten Tischgesellschaft mit einem strahlenden Lächeln. »Und unsere Schwarzen fühlen sich auch sehr wohl. Ich glaube, wir müssen nicht befürchten, dass sie uns in absehbarer Zeit weglaufen …«
    »Was auch besser ist, ich beabsichtige nämlich nicht, jemandem die Ohren abzuschneiden«, meinte Victor, als die beiden endlich allein in ihren Räumen waren.
    Sie hatten einige Zeit gebraucht, die Dienerscharen davon zu überzeugen, dass sich nicht nur Victor, sondern auch Deirdre allein auskleiden konnte. Nun tranken sie ein Glas des erstklassigen Weins, den die Sklaven beflissen bereitgestellt hatten, und ließen den Abend noch einmal Revue passieren. »Du weißt natürlich, dass Vater, Gisbert und die Courbains äußerst indigniert waren, als du angedeutet hast, du fändest … unsere Gesetze vielleicht ein wenig zu streng.« Er lächelte.
    Deirdre zuckte die Schultern. »Ich kann’s nicht ändern«, entgegnete sie. »Aber gibt es da wirklich solche Bestimmungen? Ich hatte immer gedacht … ich dachte immer, nur die einzelnen Pflanzer wären so grausam …«
    Victor schüttelte den Kopf. »Wir haben den Code Noir«, bemerkte er. »Der regelt so ziemlich alles zwischen Herren und Sklaven gesetzlich. In mancher Hinsicht ist das gerechter, als dieZustände in den anderen Kolonien es sind. Es ist zum Beispiel verboten, Sklaven zu foltern …«
    »Bevor man sie hängt?«, fragte Deirdre böse.
    Victor nickte und nahm sie in die Arme. »Die meisten dieser Regeln sind auslegbar«, meinte er dann. »Zum Guten wie zum Bösen. Die Sache mit den entflohenen Sklaven zum Beispiel. Das Gesetz greift eigentlich erst, wenn sie einen Monat weggeblieben sind. Meistens fasst man sie vorher. Man könnte also milder strafen. Leute wie die Courbains … und meine Eltern hingegen …«
    »Es ist besser, dass sie nichts von mir wissen, nicht wahr?«, fragte Deirdre erstickt und nahm noch einen Schluck Wein. »Also, dass ich … dass ich …«
    Sie wusste, dass Victor ihre Geschichte kannte, doch sie selbst hatte nie mit ihm darüber gesprochen. Bis heute war es für sie

Weitere Kostenlose Bücher