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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Wagenbach zu verheiraten. Im Gegenteil, sie war endlich einmal stolz auf ihre Tochter gewesen. Paula schüttelte sich, im Vergleich zum Leben mit ihrem Ehemann war die Reise nach Madagaskar ein Spaziergang und dieser Rüpel hier ein Gentleman. Immerhin wusste man bei Villeneuve ganz genau, woran man war. Er würde niemandem etwas vorgaukeln, diese Mühe wäre ihm nur lästig.
    Schweigend lief sie hinter ihm her, starrte auf seine brei ten Schulterblätter und den starken Rücken, der nur deshalb ihre Blicke auf sich zog, weil sich unter dem nassen Hemd jeder Muskel deutlich abzeichnete. Mit Genugtuung betrachtete sie die rötlichen Schlammflecken, die sie überall auf ihm hinterlassen hatte.
    Doch dann musste sie ihre Augen wieder zu ihren Füßen wenden, damit sein Vorsprung nicht erneut zu groß wurde. Es galt, sich von Lianenschlingen zu befreien und glitschig vermoderte Baumstämme zu überklettern. Von den Blättern über ihr tropfte die Feuchtigkeit auf ihren Tropenhelm, den sie nach dem Sturz so festgeschnallt hatte, dass er sogar nach dem Transport auf Villeneuves Schulter noch an seinem Platz saß. Es tropfte auf ihre Schultern und in ihr Gesicht. Immer wieder musste sie sich unter quer verlaufenden Ästen hindurchwinden und dabei aufpassen, sich das Gesicht nicht an den wie aus dem Nichts wachsenden Luftwurzlern zu zerkratzen.
    Ihr nackter Fuß brannte, als ob sie in eine Mischung aus Brennnesseln und Disteln getreten wäre, und sie hoffte, dass nicht eine dieser Spinnen sie erwischt hatte, die ihre Eier unter der Haut ablegten. Mit jedem Schritt wurde es dunkler, die Mücken umschwirrten sie, und sie wünschte sich endlich unter ihr Moskitonetz, doch das war in einer ihrer Reisetruhen bei den Trägern verstaut. Die vielen Träger, von denen Villeneuve so hämisch gesprochen hatte. Aber er täuschte sich, in ihren Reisetruhen befanden sich weder Abendkleider, Federhüte noch Satinhandschuhe.
    Schon lange bevor sie die Flammen sehen konnte, roch sie das Feuer, auf dem die Eingeborenen hier zu kochen pflegten. Beißend, ein Geruch, der sie hinten im Gaumenbogen kratzte. Jetzt hätte sie den Weg auch blind gefunden, denn ihre Nase sah besser als ihre Augen, und deshalb folgte sie Villeneuve nicht länger, sondern suchte sich einen eigenen Weg, der sie schließlich schneller ans Ziel führte als ihn.
    Sie genoss diesen kleinen Triumph, auch wenn ihr Vorsprung niemandem sonst aufzufallen schien.

2
    Es ist nicht alles Gold, was glänzt
    W enn ich Edmond nicht getroffen hätte und nicht
Bescheid wüsste, dann würde ich Madame Kellermann auch alles glauben. Und es erstaunt mich, wie gut sie es schafft, über ihre wahren Absichten Stillschweigen zu bewahren. Meines Wissens ist es für Frauen fast unmöglich, ein Geheimnis für sich zu behalten, aber ihr gelingt es mühelos. Dabei redet sie nicht etwa auffallend wenig, nein, sie ist schlau und schafft es, auf die anderen ganz unverfänglich zu wirken. Das ist natürlich auch gut für mich, denn wenn niemand weiß, was hier wirklich gespielt wird, dann vertrauen uns die anderen leichter.
    Zweimal schon habe ich ihr Gepäck durchsucht, unglaublich viel Gepäck, und ich war sicher, dass ich darin etwas finden müsste. Ihre Großmutter muss doch Aufzeichnungen hinterlassen haben. Aber von den zwei Truhen war nur eine voller Frauenkram, in der anderen waren seltsame Gerätschaften: Kupferkessel, Metallröhren, Gasbrenner, Glaskolben, leere dunkelbraune Flaschen mit geschliffenen Glas stöpseln, Glasplatten in Holzrahmen. Fläschchen mit Ölen, Tinkturen, Flaschen mit Essenzen, parfümierte Pomaden.
Welcher Mensch, der einigermaßen bei Geiste ist, reist in ein Land wie Madagaskar mit Glasflaschen und Glasplatten? Sie ist eine Meisterin der Tarnung, wie ich widerwillig zugeben muss. Niemand würde vermuten, dass sie nicht genau das zu tun beabsichtigt, was sie behauptet.
    Bei meiner bisherigen Suche habe ich also nichts von Bedeutung gefunden, offensichtlich ist sie schlauer, als ich dachte. Ich muss mir die Truhe mit den Gerätschaften noch einmal gründlicher vornehmen, dabei hätte ich mir mehr Zeit lassen sollen. Oder sie hat etwas in der Ledertasche versteckt, die sie neben der Wasserflasche an einem Riemen über der Schulter trägt und nie aus den Augen lässt. Aber ich kann es mir auf keinen Fall leisten, erwischt zu werden, auch nicht von den Trägern. Zu groß ist das Risiko, dass mich jemand verrät. Und wer weiß, wozu sie fähig ist, wenn sie herausfindet,

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