Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
zu den Klippen zu gehen, und kaum sei man auch nur bis zu den Knien aufgetaucht, werde die Glocke sich wieder mit frischer Luft füllen.
Aber wie könne man, fragte Roberto, auf dem Meeresgrund gehen, der doch sicherlich voller Gefahren sei, und wie auf das Riff steigen, das doch sicher aus spitzen Steinen und noch schärferen Korallen bestehe? Und wie werde die Glocke auf den Grund sinken, ohne im Wasser umzukippen oder wieder nach oben gedrückt zu werden aus denselbenGründen, aus denen ein Untergetauchter an die Oberfläche zurückkehrt?
Mit einem listigen Lächeln erwiderte Pater Caspar, den wichtigsten Einwand habe Roberto sogar noch vergessen: Wenn man die mit Luft gefüllte Glocke allein ins Wasser senkte, würde sie so viel Wasser verdrängen, wie ihre Masse betrage, und dieses Wasser würde sehr viel schwerer sein als der Körper, der in es einzutauchen versuche, und darum würde es ihm erheblichen Widerstand entgegensetzen. Jedoch in der Glocke wären ja auch noch etliche Pfunde Mensch, und außerdem gäbe es noch die Eisernen Kothurne. Und mit der Miene dessen, der an alles gedacht hat, holte er aus dem unerschöpflichen Magazin ein Paar Stiefel mit mehr als fünf Finger dicken Eisensohlen, die am Knie festgebunden werden konnten. Das Eisen würde als Ballast dienen und gleichzeitig die Füße des Wanderers schützen. Es würde zwar seinen Gang verlangsamen, aber ihm auch die Angst vor einem zerklüfteten Boden nehmen, die ihn sonst nur zögernd gehen ließe.
»Aber wenn Ihr von dem Schräghang, der hier unter uns sein muss, zur Küste hinaufgehen müsst, wird es ein einziger Anstieg sein!«
»Du warst nit dabei, als wir den Ancker geworffen haben. Ich habe vorher die Tieffe gelotet. Kein Abgrund! Wäre die Daphne noch ein bissel weitergefahren, wär sie auff Grund gelauffen!«
»Aber wie werdet Ihr das Gewicht der Glocke tragen können, die Euch doch schwer auf dem Kopf liegen wird?«, fragte Roberto. Worauf Pater Caspar daran erinnerte, dass man dieses Gewicht im Wasser nicht spüre, was Roberto wüsste, wenn er je versucht hätte, ein Boot zu schieben oder auch nur eine Eisenkugel aus einer Wanne zu fischen, was erst anstrengend werde, wenn man sie aus dem Wasser gezogen habe, nicht aber, solange sie noch untergetaucht sei.
Angesichts der Halsstarrigkeit des Alten versuchte Roberto, den Zeitpunkt seines Verderbens hinauszuzögern. »Aber wenn man die Glocke mit der Winde hinunterlässt, wie hakt man dann das Seil aus?«, fragte er. »Andernfalls hält es Euch doch zurück, und Ihr könnt Euch nicht vom Schiff entfernen.«
Pater Caspar antwortete, wenn er am Boden angelangt sei, werde Roberto das daran bemerken, dass sich das Seil dann ja lockern werde, und dann müsse er es eben kappen. Ob er etwa glaube, der Pater wolle auf demselben Wege zurückkehren? Einmal auf der Insel angelangt, werde er das Boot holen gehen und mit ihm zurückkehren, so Gott wolle.
Aber sobald er an Land angelangt sei und sich aus den Riemen gelöst habe, werde die Glocke doch, wenn sie nicht von einer anderen Winde hochgehoben werde, auf den Boden sinken und ihn gefangensetzen. »Wollt Ihr den Rest Eures Lebens auf einer Insel in einer Glocke eingeschlossen verbringen?« Worauf der Alte erwiderte, sobald er sich aus jenen Leibchen befreit habe, brauche er nur die Außenhaut mit seinem Messer aufzuschneiden und werde ihr entsteigen wie Minerva dem Schenkel des Jupiter.
Und wenn er unter Wasser einem großen Fisch begegnete, einem von denen, die Menschen verschlingen? Worauf der Pater lachte: Auch der grimmigste Fisch würde, wenn er auf seinem Weg einer wandelnden Glocke begegnete, was ja auch einem Menschen Angst machen würde, heftig genug erschrecken, um sofort die Flucht zu ergreifen.
»Also gut«, schloss Roberto, nun ernstlich besorgt um seinen Freund, »Ihr seid alt und schmächtig, wenn wirklich jemand gehen muss, werde ich es versuchen!« Pater Caspar dankte ihm, erklärte aber, dass Roberto sich schon mehrfach als Bruder Leichtfuß erwiesen habe, so dass man nicht wisse, was er diesmal anstellen werde; dagegen habe er, Pater Caspar, schon eine gewisse Kenntnis dieses Meeresarms und des Korallenriffs und habe ähnliche schon anderswo mit einem flachen Boot erkundet; außerdem habe er diese Glocke selbst konstruiert und kenne daher ihre Vorzüge und Schwächen; ferner habe er gute Kenntnisse in der hydrostatischen Physik und werde schon wissen, was bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten zu tun sei. Und
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