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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wars einen Tag später, und sie dachten, Gott hätt ihnen einen Tag wegnemen wollen zur Strafen darfür, daß sie am Karfreytag nit hatten gefaßtet. Darbey war alles gantz naturaliter zugegangen: Sie waren nach Westen gefahren. Wann du von Amerika der Sonne entgegen nach Asien reisest, verlierest du einen Tag, und wann du die Reise umbgekehrt machest, gewinnst du einen darzu. Darumb hat die Daphne den Weg über Asien genommen, indes ihr Esel seyd gefahren über Amerika. Jetzt bist du umb einen Tag älter als ich! Macht dich der Casus nit lachen?«
    »Aber wenn ich auf die Insel hinüberginge, wäre ich umb einen Tag jünger!« sagte Roberto.
    »Ebendieß war ja mein kleiner Jokus. Aber mir gehts nit darumb, ob du jünger bist oder älter. Mir gehts darumb, daß an dieser Stelle der Erden eine Linea ist, auf weicher hüben der Tag darnach ist und drüben der Tag darvor. Und das nicht nur umb Mitternacht, sondern auch umb sieben, umb zehen Uhr und zu jedweder Stunde! Ergo nahm Gott aus diesem Abgrund das Wasser von gestern (das du dort siehest) und goss es auf die Welt von heute, und am nächsten Tage selbiges abermals und so fort! Sine miraculo, naturaliter! Gott hatte die Natur praedisponiret wie eine Grosse Uhr! Es ist, wie wenn ich hätt eine Uhr, die nit zwölf, sondern vierundzwanzig Stunden anzeigt. Auf dieser Uhr gienge der Zeiger zur Vierundzwanzig, und rechts von der Vierundzwanzig wär gestern und links morgen!«
    »Aber wie hat es die Erde von gestern gemacht, daß sie am Himmel feststehen blieb, wenn sie doch kein Wasser mehr in dieser Hemisphäre hatte? Hatte sie nicht ihr Centrum Gravitatis verloren?«
    »Du denckst in den Conceptiones humanae der Zeit. Für uns Homines existiert das Gestern nicht mehr und das Morgen noch nicht. Tempus Dei, quod dicitur Aevum , Gottes Zeit, die man nennt Ewigkeit, ist gantz anderst geartet.«
    Roberto überlegte: Wenn Gott das Wasser von gestern nahm und es ins Heute goß, hatte vielleicht die Erde von gestern eine Erschütterung wegen dieses verflixten Gravitationszentrums, aber den Menschen konnte das egal sein. In ihrem Gestern hatte die Erschütterung ja nicht stattgefunden, sie geschah nur in einem Gestern von Gott, der selbstverständlich in der Lage war, mit verschiedenen Zeiten und verschiedenen Geschichten zu hantieren wie ein Erzähler, der verschiedene Romane schreibt, alle mit denselben Personen, die er jedoch von einer Geschichte zur anderen verschiedene Dinge erleben läßt.
    Wie wenn es ein Rolandslied gegeben hätte, in dem Roland unter einer Kiefer stirbt, und ein anderes, in dem er nach dem Tod Karls des Großen König von Frankreich wird und Ganelons Haut als Bettvorleger nimmt. Ein Gedanke, der Roberto, wie wir sehen werden, noch lange beschäftigen und schließlich davon überzeugen sollte, daß die Welten nicht nur unendlich viele im Raum sein können, sondern auch parallel in der Zeit. Doch darüber wollte er nicht mit Pater Caspar sprechen, der schon den Gedanken unendlich vieler Welten im Raum als äußerst häretisch ansah und zu dieser Spekulation wer weiß was gesagt hätte. So begnügte er sich damit, ihn zu fragen, wie Gott es angestellt habe, das ganze Wasser von gestern ins Heute zu kriegen.
    »Nun, einfach indem Er die Vulkane unter den Meeren hat ausbrechen lassen! Denck nur einmal: Sie stossen feurige Winde auß, und was geschiehet, wenn ein Topf Milch erwermet wird? Die Milch blähet sich, steiget empor, fliesset über den Rand und ergeusset sich auf den Herd! Aber damahlen wars nit Milch, sondern aufkochend Wasser. Grosse Katastrophe!«
    »Und wie hat Gott all das Wasser nach vierzig Tagen wieder weggekriegt?«
    »Als es nit mehr regnete, schien die Sonne, und ergo ist das Wasser mählich verdampffet. Die Bibel sagt, hundertundfünfzig Tage hat es gedauret. Wann du kanst dein Hemmed an einem Tage waschen und trocknen, kan die Erde in hundertundfünfzig Tagen trocknen. Außerdem ist viel Wasser auch zurückgeflossen in riesige unterirdische Seen, die sich noch heute zwischen der Erdkrusten und dem Feuer in der Erdmitten befinden.«
    »Ihr habt mich fast überzeugt«, sagte Roberto, dem weniger daran lag zu wissen, wie jenes Wasser entfernt worden war, als daß er sich zwei Schritte vom Gestern entfernt befand. »Aber was habt Ihr durch Eure Reise hierher bewiesen, was Ihr nicht schon vorher im Licht der Vernunft bewiesen hattet?«
    »Das Licht der Vernunfft überlaß ich der alten Theologie. Heutzutage verlangt die Wissenschafft den

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