Die Insel Des Vorigen Tages
als gutes Zeichen. Doch die Feinde am Fluß begannen auch, Pontonbrücken zu bauen, um ihren Rückzug vorzubereiten. Und das erschien Toiras so wenig elegant, daß er sie beschießen ließ. Woraufhin die Spanier aus Rache alle Franzosen, die sich noch in der Stadt befanden, verhafteten, und wieso sich dort noch welche befanden, weiß ich auch nicht zu sagen, aber so berichtet es Roberto, und mittlerweile bin ich bei dieser Belagerung auf alles gefaßt.
Die Entsatzarmee war sehr nahe, und man weiß, daß Mazzarini im Auftrag des Papstes alles tat, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Er pendelte von einer Armee zur anderen, kam erneut zu Verhandlungen in Pater Emanueles Kloster und galoppierte wieder los, um den beiden Armeen die Gegenvorschläge zu überbringen. Roberto sah ihn immer nur aus der Ferne, staubbedeckt und nach allen Seiten den Hut ziehend. Beide Parteien verhielten sich abwartend, da die erste, die einen Zug getan hätte, schachmatt gesetzt worden wäre. Roberto fragte sich schließlich, ob die famose Entsatzarmee nicht womöglich gar eine Erfindung dieses jungen Hauptmanns war, der es fertigbrachte, Belagerer und Belagerte denselben Traum träumen zu lassen.
Tatsächlich tagte bereits seit Juni eine Versammlung der deutschen Fürsten in Regensburg, zu der Frankreich seine Botschafter entsandt hatte, darunter den Pére Joseph. Und während die freien Reichsstädte und die Regionen sich separierten, war am 13. Oktober eine Verständigung über Casale erzielt worden. Mazzarini hatte sehr bald von ihr erfahren, wie Pater Emanuele zu Roberto sagte, und es ging jetzt darum, sowohl die Ankommenden wie die sie Erwartenden von ihr zu überzeugen. Die Spanier hatten mehr als eine Nachricht darüber erhalten, aber die eine besagte das Gegenteil der anderen; die Franzosen wußten auch etwas, aber sie fürchteten, daß Richelieu nicht einverstanden sein würde und tatsächlich war er es dann auch nicht, aber seit jenen Tagen war der spätere Kardinal Mazarin bemüht, die Dinge auf seine Art zu steuern, hinter dem Rücken dessen, der später sein Förderer und Beschützer werden sollte.
So stand es, als am 26. Oktober die beiden Armeen einander gegenübertraten. Im Osten, am Fuß der Hügellinie nach Frassineto, hatte sich die französische Armee aufgestellt; ihr gegenüber, mit dem Fluß zur Linken, in der Ebene zwischen der Stadt und den Hügeln, das spanische Heer, das Toiras mit seinen Kanonen von hinten beschießen ließ.
Ein Konvoi von spanischen Wagen schickte sich an, die Stadt zu verlassen, Toiras rief die spärliche Kavallerie zusammen, die ihm noch verblieben war, und sandte sie vor die Mauern, die Abzügler zu verhaften. Roberto hatte ihn angefleht, an dem Unternehmen teilnehmen zu dürfen, aber es war ihm nicht gestattet worden. Er fühlte sich nun wie an Deck eines Schiffes, das er nicht verlassen konnte, im Angesicht eines weiten Meeres und einer Insel, die ihm verweigert war.
Auf einmal hörte man Schüsse, vielleicht waren die beiden Vorhuten aneinandergeraten: Toiras beschloß, einen Ausfall zu machen, um die Truppen Ihrer Katholischen Majestät an zwei Fronten zu binden. Gerade wollten seine Leute die Stadt verlassen, da sah Roberto von den Bastionen aus einen schwarzgekleideten Reiter, der, ohne sich um die ersten umherfliegenden Kugeln zu kümmern, mitten zwischen den beiden Heeren ritt, direkt auf der Feuerlinie, ein Papier schwenkend und dazu rufend, wie die Zeugen hinterher berichteten: »Pace! Pace!«
Es war der Hauptmann Mazzarini. Im Verlauf seiner letzten Pilgerfahrten von der einen Seite zur andern hatte er die Spanier dazu gebracht, die Vereinbarungen von Regensburg zu akzeptieren. Der Krieg war vorbei. Casale blieb bei Nevers, Franzosen und Spanier verpflichteten sich, es zu verlassen. Während die Fronten sich auflösten, stieg Roberto auf den treuen Pagnufli und ritt zum Ort der in letzter Sekunde vermiedenen Schlacht. Er sah Edelmänner in vergoldeten Rüstungen, die sich in elaborierten Begrüßungen mit Komplimenten und Tanzschritten ergingen, während eilig Klapptischchen aufgestellt wurden, um die Abkommen zu besiegeln.
Am nächsten Tag begannen die feindlichen Armeen abzuziehen, zuerst die Spanier, dann die Franzosen, nicht ohne Konfusionen und gelegentliche Zusammenstöße, aber mit Austausch von Geschenken und Freundschaftsbekundungen, während in der Stadt die Leichen der Pestopfer in der Sonne verfaulten, die Witwen weinten und einige Bürger sich bereichert sahen,
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