Die Insel Des Vorigen Tages
entziehen. Ich werde Euch nur entstellen, damit Ihr künftig eine Maske tragen müßt, wie es die italienischen Komödianten tun, eine Würde, die Euch gebührt. Ich werde Euch eine Narbe machen, die vom Auge bis zur Lippe geht, und ich werde Euch diesen schönen Schweinekastrierhieb erst versetzen, nachdem ich Euch, zwischen einem Streich und dem andern, eine Lektion in Naturphilosophie erteilt habe.« Der Abbé griff an und versuchte sofort mit großen Hieben, den Gegner zu treffen, wobei er ihm zuschrie, er sei ein giftiges Insekt, ein Floh, eine Laus, die erbarmungslos zerquetscht gehöre. Saint-Savin parierte, griff seinerseits an und trieb den Abbé rücklings gegen einen Baum, wobei er jedoch bei jedem Hieb oder Stoß philosophierte.
»Ei ei, Mandritti und Estramaçons sind aber vulgäre Hiebe, die macht man nur, wenn man vor Wut geblendet ist! Euch fehlt es an einer Idee von der Fechtkunst. Aber Euch fehlt es auch an Barmherzigkeit, wenn Ihr die Flöhe und Läuse so verachtet. Ihr seid ein viel zu kleines Tier, um Euch die Welt als ein großes Tier vorstellen zu können, als welches sie uns schon der göttliche Plato vorgeführt hatte. Versucht doch einmal zu denken, die Sterne seien Welten mit anderen kleineren Tieren und diese kleineren Tiere dienten ihrerseits als Welten für andere Völker, dann würdet Ihr es nicht widersprüchlich finden, zu denken, daß auch wir, genau wie die Pferde und die Elefanten, für die Flöhe und die Läuse, die uns bewohnen, Welten sind. Sie nehmen uns nicht wahr, weil wir so groß sind, und genauso nehmen auch wir die größeren Welten nicht wahr, weil wir so klein sind. Vielleicht gibt es gerade jetzt ein Völkchen von Läusen, das unseren Körper für eine Welt hält, und wenn eine von ihnen Euch von der Stirn zum Nacken gekrabbelt ist, sagen die andern von ihr, sie habe es gewagt, bis an die Grenzen der bekannten Erde vorzustoßen. Dieses Völkchen betrachtet Euer Körperhaar als die Wälder seines Landes, und wenn ich Euch getroffen haben werde, wird es Eure Wunden als Seen und Meere betrachten. Wenn Ihr Euch kämmt, betrachten sie diesen Aufruhr als Sturm auf dem Ozean, und es ist ihr Pech, daß ihre Welt so stürmisch ist, wegen Eurer Gewohnheit, Euch alle naselang zu kämmen wie ein Weib. Und wenn ich Euch jetzt dieses Quästchen abtrenne, werden sie Euren Wutschrei für einen Orkan halten, da!« Sprach’s und trennte ihm ein Ornament ab, wobei er ihm fast die bestickte Weste zerschnitt.
Der Abbé schäumte vor Wut, er wechselte in die Mitte des Platzes, schaute kurz über die Schulter, um sich zu vergewissern, daß ihm Raum genug blieb für die Finte, die er nun vorhatte, und wich zurück, um von hinten durch den Brunnen gedeckt zu sein.
Saint-Savin schien ihn zu umtänzeln, ohne ihn anzugreifen. »Kopf hoch, Monsieur l’Abbé, seht Euch den Mond an und überlegt einmal: Hätte Euer Gott die unsterbliche Seele zu schaffen vermocht, so hätte er wohl auch die unendliche Welt schaffen können. Aber wenn die Welt unendlich ist, dann ist sie es im Raum ebenso wie in der Zeit, und mithin ist sie ewig, und wenn es eine ewige Welt gibt, die keiner Schöpfung bedarf, dann ist es auch nicht mehr nötig, die Idee eines Gottes zu konzipieren. Oh, was für eine schöne Ohrfeige, Monsieur l’Abbé, wenn Gott unendlich ist, könnt Ihr seine Macht nicht begrenzen: Er könnte niemals ab opere cessare , vom Schaffen ablassen, und mithin wird die Welt unendlich sein.
Aber wenn die Welt unendlich ist, wird es Gott nicht mehr geben, so wie es gleich keine Troddeln mehr an Eurem Rock geben wird!« Und dem Wort die Tat folgen lassend, trennte er ihm noch ein paar Quasten ab, auf die der Abbé so stolz war, dann verkürzte er die Guardia und zielte ein wenig höher; und während der Abbé noch die Mensur zu verengen suchte, versetzte er ihm einen so harten Hieb auf die Schneide der Klinge, daß der Abbé den Degen fast fallen gelassen hätte und sich mit der Linken das schmerzende Handgelenk preßte.
Aufbrüllend rief er: »Höchste Zeit, daß ich Euch erledige, ruchloses Lästermaul, beim Bauche Gottes, bei allen verfluchten Heiligen des Paradieses, beim Blute des Gekreuzigten!«
Das Fenster der Dame ging auf, jemand schaute heraus und rief etwas. Doch inzwischen hatten die Anwesenden den Zweck ihrer Unternehmung vergessen, sie bewegten sich um die beiden Duellanten, die lärmend den Brunnen umrundeten, während Saint-Savin den Abbé mit einer Reihe von kreisenden Paraden und
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