Die Insel Des Vorigen Tages
so beeindruckt war, sondern immer noch und erneut nur aus Liebe. Mit anderen Worten, die Beschreibung eines Universums voller Geister, die sich gemäß ihren Affinitäten miteinander verbinden, erschien ihm als eine Allegorie der Verliebtheit, und er begann die Lesekabinette zu frequentieren, um alles zu verschlingen, was er über die Waffensalbe finden konnte, und das war damals schon viel und sollte in den folgenden Jahren noch wesentlich mehr werden. Beraten von Monsignor Gaffarel (halblaut, damit es die anderen Stammgäste im Kabinett Dupuy nicht hörten, die wenig von diesen Dingen hielten), las Roberto die Ars Magnesta von Kircher, den Tractatus de magnetica vulnerum curatione , von Goclenius, die medizinischen Schriften von Fracastoro, den Discursus de unguento armario von Fludd und den Hopolochrisma spongus von Foster. Er machte sich wissend, uni dann sein Wissen in Poesie umzusetzen und eines Tages als eloquenter Redner, Bote der universalen Sympathie, dort brillieren zu können, wo er fortwährend durch die Eloquenz anderer gedemütigt wurde.
Viele Monate lang - so lange muß seine beharrliche Forschung gedauert haben, während er auf dem Weg der Eroberung keinen Schritt vorankam - lebte Roberto nach einem Prinzip der doppelten, ja der multiplen Wahrheit, das viele in Paris für kühn und klug zugleich hielten: Tagsüber diskutierte er über die mögliche Ewigkeit der Materie, und nachts verdarb er sich die Augen über Traktätchen, die ihm - sei’s auch in Begriffen der Naturphilosophie - okkulte Mirakel verhießen.
Bei großen Vorhaben muß man danach trachten, nicht so sehr Gelegenheiten herbeizuführen als vielmehr jene zu nutzen, die sich einem bieten. Eines Abends bei Arthénice, nach einer angeregten Diskussion über den Schäferroman Astrée von d’Urfé, forderte die Gastgeberin ihre Gäste auf, sich in Reden über die Gemeinsamkeiten zwischen Liebe und Freundschaft zu ergehen. Daraufhin ergriff Roberto das Wort und bemerkte, seiner Ansicht nach sei das Prinzip der Liebe, ob zwischen Freunden oder zwischen Liebenden, nicht unähnlich dem, nach welchem das sympathetische Pulver funktioniere. Beim ersten Anzeichen von Interesse begann er, die Geschichten von d’Igby zu erzählen, unter Auslassung lediglich der Geschichte von der urinierenden Heiligen, alsdann hob er an, über das gestellte Thema zu diskurrieren, wobei er jedoch die Freundschaft vergaß und allein über die Liebe sprach.
»Die Liebe gehorcht denselben Gesetzen wie der Wind, und die Winde riechen stets nach den Orten, aus denen sie kommen, und wenn sie aus Kräuter- oder Blumengärten kommen, können sie nach Jasmin oder Minze oder Rosmarin riechen, und so machen sie die Seefahrer begierig auf das Land, das ihnen so viele Verheißungen schickt. Nicht anders betören die Liebesgeister die Nasen der verliebten Herzen«
(und verzeihen wir Roberto die gründlich verunglückte Trope). »Das geliebte Herz ist eine Laute, welche die Saiten einer anderen Laute mitklingen läßt, so wie der Klang der Glocken auf die Oberfläche der Gewässer einwirkt, vor allem bei Nacht, wenn mangels anderer Geräusche im Wasser die gleiche Bewegung entsteht, die zuvor in der Luft entstanden war. Dem liebenden Herzen geht es wie dem Weinstein, der manchmal nach Rosenwasser duftet, wenn man ihn im Dunkel eines Kellers sich hat auflösen lassen, während draußen die Rosen blühten, so daß die mit Rosen-Atomen geschwängerte Luft sich durch die Anziehung des Weinstein-Salzes in Wasser verwandelt und den Weinstein parfümiert hat.
Daran kann auch die Grausamkeit der Geliebten nichts ändern. Wenn die Weinreben blühen, gärt der Wein im Faß und treibt an der Oberfläche eine eigene weiße Blüte hervor, die so lange bleibt, bis die Reben draußen verblüht sind. Das liebende Herz aber, das noch hartnäckiger ist als der Wein, wenn es Blüten treibt beim Blühen des geliebten Herzens, kultiviert sein Keimen auch dann, wenn die Quelle vertrocknet ist.«
Roberto glaubte, einen zärtlichen Blick von Lilia aufgefangen zu haben, und fuhr fort: »Lieben ist wie ein Bad im Mondlicht nehmen. Die Strahlen, die vom Mond kommen, sind diejenigen der Sonne, die zu uns reflektiert werden. Bündelt man die Strahlen der Sonne mit einem hohlen Spiegel, so vervielfacht sich ihre sengende Kraft. Fängt man dagegen die Strahlen des Mondes in einer silbernen Schale auf, so wird man sehen, daß ihr konkaver Boden seine Strahlen als kühlende reflektiert, und zwar kühlend
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