Die Insel Des Vorigen Tages
einer Précieuse auch nicht zu erwarten gewesen.
Er aber hatte verstanden: »Was seid Ihr so schüchtern, Ihr seid es doch neulich abend gar nicht gewesen und habt mich ...« (ich stelle mir vor, daß ihn die Eifersucht hinderte und gleichzeitig ermunterte, sich die Fortsetzung des Satzes vorzustellen). »Also morgen erneut, auf derselben Bühne, am selben geheimen Ort.«
Es ist nur natürlich, daß er - nachdem seine Phantasie den dornigsten Weg genommen hatte - sofort an eine Personenverwechslung dachte, an jemanden, der sich für ihn ausgegeben und in seiner Gestalt von ihr das bekommen hatte, wofür er sein Leben gegeben hätte. So tauchte Ferrante wieder auf, und alle Fäden seiner Vergangenheit knüpften sich wieder zusammen. Ferrante, sein böses Alter Ego, hatte sich auch in diese Geschichte eingemischt, hatte sich seine Abwesenheiten, seine Verspätungen und seine verfrühten Aufbrüche zunutze gemacht und im richtigen Moment die Prämie für seine Rede über das sympathetische Pulver eingeheimst.
Und während Roberto sich dergestalt sorgte und grämte, klopfte es an seine Tür. Hoffnung, Traum wacher Menschen! Er stürzte hin, um zu öffnen, überzeugt, Lilia vor sich zu sehen. Statt dessen war es ein Offizier der Wache des Kardinals mit zwei Mann im Gefolge.
»Monsieur de La Grive, nehme ich an«, sagte der Offizier. Und nachdem er sich als Hauptmann de Bar vorgestellt hatte. »Es tut mir sehr leid, Euch das sagen zu müssen, Monsieur, aber Ihr seid verhaftet.
Bitte übergebt mir Euren Degen. Wenn Ihr mir gutwillig folgt, werden wir wie zwei gute Freunde in die Kutsche steigen, die auf uns wartet, und Ihr habt keine Veranlassung, Euch zu schämen.« Er gab zu verstehen, daß er den Grund der Verhaftung nicht kenne und sich wünsche, daß es ein Mißverständnis sei. Roberto folgte ihm wortlos, im stillen denselben Wunsch formulierend, und am Ende der Fahrt, nachdem er mit vielen erneuten Entschuldigungen einem verschlafenen Wächter übergeben worden war, fand er sich in einer Zelle der Bastille wieder.
Dort verbrachte er zwei eiskalte Nächte, nur besucht von ein paar Ratten (nützliche Vorbereitung auf die Reise mit der Amarilli ) und von einem Wächter, der auf jede Frage antwortete, es seien schon so viele illustre Gäste an jenem Ort gewesen, daß er aufgehört habe, sich zu fragen, wieso sie kamen, und wenn da schon seit sieben Jahren ein so großer Herr wie der Marschall de Bassompierre einsitze, habe Roberto keine Veranlassung, sich schon nach ein paar Stunden zu beklagen.
Nachdem man ihn zwei Tage lang vom Schlimmsten hatte kosten lassen, erschien am dritten Abend wieder der Hauptmann de Bar, gab ihm Gelegenheit, sich zu waschen, und teilte ihm mit, daß er vor dem Kardinal erscheinen müsse. So begriff Roberto nun wenigstens, daß er ein Staatsgefangener war.
Der Abend war schon weit fortgeschritten, als sie den Palast erreichten, und schon die Bewegung am Portal ließ erraten, daß es ein besonderer Abend war. Auf den Stufen wimmelte es von Leuten jeden Standes, die hinauf- und hinabliefen; atemlos kamen Edel- und Kirchenmänner in einen Vorraum gestürzt, räusperten sich wohlerzogen vor den freskenbemalten Wänden, setzten leidende Mienen auf und traten in einen anderen Saal, aus welchem Amtsdiener kamen, die mit lauter Stimme nach unauffindbaren Knechten riefen und mit herrischen Gesten allseits Ruhe geboten.
Auch Roberto wurde in jenen Saal geführt, und er sah nur die Rücken von Leuten, die sich in der Tür eines weiteren Raumes drängten, auf Zehenspitzen und lautlos, wie um ein trauriges Schauspiel zu sehen.
Der Hauptmann blickte umher, als ob er jemanden suchte, dann bedeutete er Roberto, in einer Ecke zu warten, und ging hinaus.
Ein anderer Wachmann, der sich abmühte, viele der Anwesenden hinauszukomplimentieren, mit unterschiedlich respektvollen Gesten je nach ihrem Rang, sah Roberto mit seinen Bartstoppeln und seinen von der Haft mitgenommenen Kleidern und fragte ihn barsch, was er da mache. Roberto sagte, er werde vom Kardinal erwartet, worauf der Wachmann erwiderte, zum Unglück aller werde der Kardinal von einem noch viel Höheren erwartet.
Dennoch ließ er Roberto stehen, wo er war, und Schritt für Schritt, da der Hauptmann (inzwischen das einzige vertraute Gesicht, das ihm geblieben war) nicht wiederkam, näherte sich Roberto dem Gedränge der Rücken, schob sich langsam hinein und erreichte, ein bißchen wartend, ein bißchen drängelnd, schließlich die Schwelle
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