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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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beschmutzt.«
    »Aber wie ist es möglich, daß so viele Teilchen sich in die Luft verlieren, ohne daß der Körper, der sie aussendet, eine Verringerung spürt?«
    »Vielleicht gibt es eine Verringerung, und das bemerkt Ihr, wenn Ihr Wasser verdampfen laßt, aber bei festen Körpern bemerken wir es nicht, sowenig wir es beim Moschus oder anderen Duftstoffen bemerken. Jeder Körper, so klein er auch sein mag, kann sich immer noch weiter teilen, ohne je ans Ende seiner Teilung zu gelangen. Bedenkt die Feinheit der Teilchen, die sich von einem lebenden Körper ablösen, dank welcher unsere englischen Hunde, geleitet von ihrem Geruchssinn, die Spur eines Tieres verfolgen können. Kommt uns vielleicht der Fuchs am Ende seines Laufes kleiner vor? Nun, und genau kraft dieser Teilchen oder Korpuskeln kommt es zu jenen Phänomenen der Anziehung, die von manchen als Einwirkung aus der Ferne gefeiert werden, wobei jedoch diese Einwirkung gar nicht aus der Ferne geschieht - also auch keine Magie ist -, sondern durch den ständigen Austausch von Atomen zustande kommt. Dasselbe geschieht bei der Anziehung durch einen Sog, wie dem des Wassers oder des Weins durch einen Syphon, sowie bei der Anziehung des Magnets auf Eisen oder bei der Anziehung durch Filtrierung, wie wenn Ihr einen Baumwollstreifen in eine Schale mit Wasser legt, aber einen Gutteil des Streifens aus der Schale heraushängen laßt, denn Ihr werdet sehen, wie das Wasser an dem Streifen über den Rand steigt und auf den Boden tropft. Und die letzte Anziehungsart ist diejenige, die durch das Feuer stattfindet, das die umgebende Luft mitsamt allen darin schwebenden Teilchen ansaugt: Das Feuer reißt seiner Natur gemäß die Luft aus seiner Umgebung mit sich, so wie das Wasser eines Flusses das lockere Erdreich am Grund seines Bettes mitreißt. Und da die Luft feucht ist und das Feuer trocken, greifen sie einander an. Daher muß, um die vom Feuer mitgerissene Luft zu ersetzen, weitere Luft aus der Nachbarschaft einströmen, sonst würde ein Vakuum entstehen.«
    »Demnach leugnet Ihr das Vakuum?«
    »Keineswegs. Ich sage, daß die Natur, sobald sie ein Vakuum vorfindet, es sofort mit Atomen zu füllen trachtet, um jeden Winkel zu erobern und zu besetzen. Wenn es nicht so wäre, könnte mein sympathetisches Pulver nicht so wirken, wie es Euch mein Experiment jedoch bewiesen hat. Das Feuer bewirkt durch sein Brennen einen ständigen Zustrom von Luft, und der göttliche Hippokrates hat sogar eine ganze Provinz von der Pest gesäubert, indem er allenthalben große Feuer anzünden ließ.
    Desgleichen erwürgt man in Pestzeiten Tauben, Katzen, Hunde und andere warmblütige Tiere, die unaufhörlich Lebensgeister ausschwitzen und verdunsten lassen, damit die Luft den Platz der bei dieser Verdunstung freigesetzten Geister einnimmt und bewirkt, daß die pestbefallenen Atome sich an das Fell oder die Federn jener Tiere heften, so wie das frisch aus dem Ofen geholte Brot den Schaum der Weinfässer an sich zieht - der den Wein sonst verderben würde -, wenn man es ofenwarm auf das Spundloch legt. Wie es ja übrigens auch geschieht, daß wenn man ein Pfund wohlkalziniertes und gebranntes Weinsteinsalz an die Luft stellt, es bis zu zehn Pfund gutes Weinstein-Öl ergibt, da es die umgebende Luft anzieht und sich inkorporiert. Der Leibarzt von Papst Urban VIII. hat mir die Geschichte von einer römischen Nonne erzählt, welche sich durch übermäßiges Fasten und Beten derart den Leib erhitzt hatte, daß ihre Knochen ganz verdorrt und verbrannt erschienen. Ihre große Hitze, dieses innere Feuer, hatte nämlich die Luft gewaltig angezogen, so daß sie sich ihrem Leib inkorporierte ganz so, wie sie es im Weinsteinsalz tut, und da die inneren Passagen alle offen sind, war sie schließlich dort zusammengeströmt, wo sich die scharfen Feuchtigkeiten versammeln, nämlich in der Blase, so daß die arme Heilige in vierundzwanzig Stunden mehr als zweihundert Pfund Urin abgab, ein Wunder, das alle als Beweis ihrer Heiligkeit ansahen.«
    »Aber wenn alles auf alles Anziehung ausübt, wie kommt es dann, daß die Elemente und die Körper geschieden bleiben und nicht alles zu einem Klumpen zusammenschießt?«
    »Gute Frage. Aber da diejenigen Körper, die gleichen Gewichtes sind, sich leichter vereinigen und Öl sich leichter mit Öl als mit Wasser verbindet, müssen wir daraus schließen, daß das, was die gleichartigen Atome zusammenhält, ihre Seltenheit oder ihre Häufigkeit ist, was Euch auch die

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