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Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
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darauf, dass Wesley auftauchte.
    Es konnte durchaus sein, dass sie uns verwechselte und aus Versehen mich umbrachte.
    Sei’s drum, wir konnten jedenfalls nicht die ganze Nacht dort stehen bleiben.
    Also fragte ich flüsternd: »Kimberly? Ich bin’s, Rupert.«
    Und die Stimme antwortete: »Rupert? Ich bin’s, Wesley.«

Mit knapper Not davongekommen
    Typisch Wesley. Das Arschloch konnte offenbar nicht der Versuchung widerstehen, mir einen höllischen Schrecken einzujagen. Wenn er die Klappe gehalten, sich angeschlichen und mir mit der Axt den Schädel eingeschlagen hätte, wäre ich jetzt ein toter Mann.
    Aber er musste mir antworten.
    Meine Reaktionen überraschten mich.
    Weder schrie ich in Panik auf, noch versuchte ich, in wilder Flucht zum Feuer zu rennen. Hätte man mich vorher gefragt, was ich in einer solchen Situation tun würde, wäre mir wahrscheinlich nichts anderes eingefallen.
    Vielleicht trifft das nicht auf alle Menschen zu, aber ich zumindest scheine zwei verschiedene Persönlichkeiten zu haben: Die eine ist gehemmt und schüchtern und hält sich an die Regeln; die andere ist ziemlich wild und verrückt - und bricht nur hin und wieder und dann völlig unerwartet hervor.
    So war es, als er fragte: »Rupert? Ich bin’s, Wesley.«
    Und anstatt vor Angst völlig durchzudrehen, hörte ich auf einmal meine Stimme, wie sie lässig zurückfragte: »Hey, Wesley, was treibst du denn so?«
    »Ich amüsiere mich prächtig.«
    »Schön für dich.«
    »Sag mal, was sollte eigentlich das ganze Theater? War das eine Art Falle?«

    »Sicher.«
    »Rat mal, wer hineingetappt ist.«
    »Sag du es mir.«
    Ich hoffte inständig, dass er nicht »Kimberly« sagen würde.
    »Du«, sagte Wesley.
    »Ach so«, erwiderte ich.
    Er lachte.
    Ich schleuderte meinen Tomahawk in die Richtung, aus der das Lachen kam. Mit aller Kraft. Er sauste laut raschelnd durch das Laub der Sträucher. Ich wartete nicht ab, ob ich getroffen hatte, sondern drehte mich um und rannte los.
    Hinter mir stieß Wesley einen Schrei aus. Es war eher ein Wut- als ein Schmerzensschrei.
    Dann hörte ich, wie Wesley mir folgte.
    Ich kämpfte mich zwischen zwei Bäumen durch ein Gebüsch und gelangte hinaus auf den Strand, wo ich fast mit Kimberly zusammengestoßen wäre.
    Nie im Leben werde ich vergessen, was für einen Anblick sie bot. Ihr weißer Bikini hob sich im bläulichen Licht des Mondes hell von ihrer tief gebräunten Haut ab (Keiths Hawaiihemd hatte sie ausgezogen.) Die Füße fest in den Sand gestemmt, stand sie mit leicht gespreizten Beinen vor mir. Ihr ausgestreckter linker Arm zeigte geradewegs auf mich, den rechten hielt sie hinter dem Kopf, bereit, den Speer zu schleudern.
    »Runter mit dir!«, zischte sie mir leise zu.
    Ich warf mich in den Sand, wo ich auf der Brust auf Kimberlys nackte Beine zurutschte. Nur dadurch, dass ich mich seitlich abrollte, konnte ich verhindern, dass ich sie über den Haufen warf. Als ich wieder zu ihr aufblickte, schleuderte sie den Speer nach vorne.

    Ich riss den Kopf herum, um seine Bahn zu verfolgen.
    Er flog direkt auf Wesley zu, der in diesem Augenblick aus dem Dschungel gestürmt kam.
    Es war das erste Mal, dass ich ihn seit der Explosion sah.
    Er war splitternackt, und seine Haut glänzte schwarz im Mondlicht - er musste sich mit irgendwelchem schwarzem Zeug eingeschmiert haben, damit er in der Nacht nicht so gut gesehen werden konnte. Mit hoch über den Kopf erhobener Axt rannte er auf mich zu, um mir den Schädel zu spalten.
    Dabei grinste er zähnefletschend.
    Das Grinsen verging ihm, als er Kimberly sah - und den Speer, der auf ihn zu geschossen kam.
    Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei.
    »Yaaah!« Um dem Speer auszuweichen, warf er seinen Körper im letzten Augenblick nach links.
    Aber es war zu spät. Kimberlys Speer traf ihn an der Brust. Wesley war ziemlich pummelig, und hatte Brüste, die fast so groß waren wie die einer Frau. Weil Wesley sich im letzten Moment weggedreht hatte, durchbohrte ihm die scharf zugeschnittene Holzspitze des Speers seitlich die linke Brust knapp unterhalb der Brustwarze und kam auf der anderen Seite wieder heraus.
    Wesley schrie auf. Er ließ die Axt fallen, packte mit beiden Händen den Speer und sackte taumelnd auf die Knie. Er hielt den Speer zwar fest umklammert, versuchte aber nicht, ihn herauszuziehen.
    Vermutlich traute er sich nicht.
    Er hatte Angst vor dem Schmerz.
    Und davor, dass das Gewicht des herabfallenden Speers die Wunde weiter aufreißen

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