Die Insel - Roman
schlagen.«
»Das hoffe ich.«
»Ehrlich.«
»In Ordnung.«
»Ich gehe jetzt lieber«, sagte ich. »Bin schon viel zu lange hier. Hoffentlich ahnt Wesley nicht, dass etwas im Busch ist.«
»Ja, geh.« Sie kniff mich freundschaftlich in die Waden, dann nahm sie ihre Hände weg. »Kimberly ist bereit. Geh langsam und halt die Augen offen.«
»Mach ich. Bis später.«
Ich trat einen Schritt von der Latrine zurück, zog meine Badehose ein Stück hoch und nahm den Tomahawk, den ich vorhin unter den Arm geklemmt hatte, wieder in die rechte Hand. Dann ging ich weiter auf den Dschungel zu.
In mir stieg zunehmend Panik hoch. Ich versuchte mir einzureden, dass Wesley gar nicht im Dschungel sein musste, dass er möglicherweise mit dem Dingi untergegangen oder von einer Klippe gestürzt sei. Vielleicht hatte er ja
auch einen Herzinfarkt erlitten oder war von einer Schlange gebissen worden oder irgendwelchen eingeborenen Kopfjägern in die Arme gelaufen.
Es gab tausend Möglichkeiten, wie er zu Tode gekommen sein könnte.
Trotzdem war es viel wahrscheinlicher, dass er irgendwo im Dschungel hinter einem Baum stand, mich beobachtete, wie ich näher kam, und nichts anderes im Sinn hatte, als mich aus dem Hinterhalt umzubringen.
Ich hielt mich an dem Gedanken fest, dass auch Kimberly irgendwo im dunklen Dschungel lauerte und bereit war, sich sofort auf den Bastard zu stürzen, sobald er mich angriff.
Sofern der Bastard sich nicht schon auf sie gestürzt hatte.
Mir schlotterten ganz schön die Knie. Trotzdem ging ich weiter.
Ich war noch etwa ein Dutzend Schritte vom Rand des Dschungels entfernt, als die Sache aus dem Ruder zu laufen begann.
Ein Schrei von Thelma: »HILFE!«
Stille.
Und dann: »WAS IST HIER LOS?«
Ich fuhr herum.
Sie kniete neben der reglosen Connie und streckte die Arme in die Luft, als wolle sie damit das Ausmaß ihrer Verwirrung und Angst deutlich machen.
»RUPERT!«
Sie hatte mich entdeckt.
Ich signalisierte ihr mit einer Armbewegung, sie solle bleiben, wo sie war.
Trotzdem stand sie auf und rannte auf mich zu.
Ich unterdrückte einen Fluch.
Thelma war drauf und dran, alles zu ruinieren.
Schnaufend und prustend rannte sie zu mir.
Als sie schließlich keuchend vor mir stehen blieb, hätte ich ihr am liebsten in die Fresse geschlagen.
Vorzugsweise mit dem Tomahawk.
Aber ich schlage keine Frau.
Und überhaupt, sie wusste ja gar nicht, dass sie alles ruinierte. Sie war aufgewacht, hatte festgestellt, dass die anderen nicht da waren, und war zum Feuer gegangen, wo sie Connie halb nackt und bewusstlos vorgefunden hatte.
Es war nicht Thelmas Schuld, dass sie durchdrehte.
Und damit unseren ganzen Plan zunichte machte.
Es war nicht ihre Schuld, dass ich sie am liebsten umgebracht hätte.
Mit offenem Mund blieb sie schwer atmend vor mir stehen.
»Was … ist … denn los?«, stieß sie keuchend hervor.
»Ich muss mal«, sagte ich.
» Was ? Was musst du?«
»Na was wohl? Du weißt schon. Ich muss mal für kleine Jungs, das ist alles.«
»Ich weiß gar nichts. Und was ist bloß mit Connie los?«
»Ich habe ihr eine geknallt.«
»Wie bitte?«
»Wir hatten Streit.«
»Streit? Was für einen Streit? Und wieso ist sie halb nackt? Hast du sie ausgezogen?«
»Nein!«
»Wo ist Kimberly? Wo ist Billie?«
»Keine Ahnung.« Das war nicht mal gelogen. Ich wusste wirklich nicht genau, wo sie waren. Vor allem fragte ich mich, warum Billie nicht aus der Latrine gesprungen war, um Thelma abzufangen.
Plötzlich machte ich mir Sorgen um sie.
»Billie!«, rief ich. »Sind Sie in Ordnung?«
»Ja!« Ihre Stimme kam aus der Richtung der Latrine. Besonders fröhlich klang sie nicht.
»Sie können ruhig rauskommen.«
Kurz darauf kroch Billie zwischen den dunklen, belaubten Ästen des Sichtschutzes hervor, rappelte sich auf und kam kopfschüttelnd auf uns zu.
»Was soll das alles?«, fragte Thelma sie. »Was hast du da gemacht?«
»Ich war auf der Latrine«, erwiderte Billie. »Was dagegen?«
Thelma sah sie verwirrt an. »Aber wir dürfen sie doch erst morgen benutzen!«
»Was?«
»Der Sand muss sich erst setzen«, erklärte Thelma und wandte sich Hilfe suchend an mich. »Das habt ihr vorhin gesagt.«
»Das stimmt«, bestätigte ich.
»Niemand darf sie vor morgen benutzen«, wiederholte Thelma vorwurfsvoll.
»Oh.«
»Jetzt hast du sie wahrscheinlich ruiniert.«
»Wir haben vergessen, es Ihnen zu sagen«, sagte ich zu Billie und dann, an Thelma gewandt: »Ich habe mich dran gehalten.
Weitere Kostenlose Bücher