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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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vorhatte, ging niemanden etwas an. Nur Habbo, sein bester Mann, der ihm treu zur Seite stand, seit er ihn zum Truppenführer ernannt hatte, war noch bei ihm. Ihn brauchte er, denn er war stark und rücksichtslos – und dumm genug, jeden noch so grausamen Befehl auszuführen.
    Als sie die Tür aufbrachen, schoss eine Windböe mit ihnen in das kleine Haus. Das Feuer im Kamin flackerte kurz auf und tauchte die Stube in wilde Schatten.
    »Geert! Wer ist das?«, schrie der Junge und versteckte sich hinter dem Rücken seines Vaters.
    Doch er wartete vergeblich auf eine Antwort. Habbo hatte sein Messer zu schnell gezückt.

11
    M aikea sah die Gestalt zuerst.
    Der Mann kam auf sie zugerannt, regennass und hektisch winkend. Es war einer der Insulaner, er rief etwas, doch seine Stimme kam nicht gegen die Brandung und den Sturm an. Erst als er schon beinahe vor ihr stand, konnte sie seine Worte hören.
    »Ein Schiff der neuen Regierung ist gekommen, sechs oder sieben bewaffnete Soldaten sind dabei. Sie sind auf der Suche nach deinem Sohn. Und sie haben sich meine Tochter geschnappt und …« Atemlos blieb er vor ihnen stehen.
    Maikea ließ Tassos Hand los. Der Kuss, den sie eben noch auf ihren Lippen gespürt hatte, war vergessen. Was redete der Mann? Jemand fragte nach Jan?
    »Was wollen sie von uns? In wessen Auftrag sind sie hier?«
    »Weert Switterts. Der ehemalige Geheimrat. Ein Mann mit einer hässlichen Zahnlücke … Eyke hat ihn zurückhalten wollen, aber da haben die Soldaten ihre Waffen aufblitzen lassen.«
    Maikea wurde augenblicklich übel. »Weert … Um Gottes willen, er muss es irgendwie erfahren haben. Wo ist er jetzt?«
    »Ich … Sie hatten doch meine kleine Tochter … Ich habe ihnen den Weg zu deinem Haus gezeigt. Und dann bin ich gleich hierhergerannt, um dich zu warnen.«
    »Er ist bei Jan?« Diese Vorstellung hatte die Wirkung eines Fausthiebes in den Leib. Maikea rannte los. Die nassen Kleider klebten an ihren Beinen und machten das Laufen fast unmöglich, mehrfach stürzte sie, rappelte sich aber immer wieder auf und hastete weiter durch die Randdünen. Sie nahm den kürzesten Weg zum Dorf, auch wenn er steil und verwachsen war. Die Gefahr, in der Jan schwebte, wirkte wie ein Schutzschild gegen den Schmerz. Es war Maikea egal, dass ihre Arme bluteten und sie mit dem Fuß an einer Strauchwurzel hängen blieb. Sie musste sofort zu ihm. Wenn Weert tatsächlich erfahren hatte, dass der Junge in Wirklichkeit der rechtmäßige Thronfolger war, dann durfte sie keine Zeit verlieren. Weert Switterts würde Jan töten, so viel stand fest.
    »Warte auf mich!«
    Tasso lief hinter ihr, und Maikea war froh, dass er bei ihr war. Aber schon aus einiger Entfernung konnte sie sehen, dass sie zu spät gekommen waren. Das Haus stand offen, der Sturm warf die Tür wütend hin und her, und das Regenwasser strömte bereits in kleinen Rinnsalen ins Haus.
    »Jan? Geert? Wo seid ihr?«, schrie sie. Aber es war nichts zu hören außer dem Heulen des Windes und dem ewigen Grollen der Nordsee. »Sie sind weg!«
    Tasso stürzte an ihr vorbei ins Innere und wäre beinahe über einige Möbel gestolpert, die umgeworfen auf dem Boden lagen. Und nun sah auch Maikea, dass ein Kampf stattgefunden haben musste. Dunkle Flecken breiteten sich auf den Holzdielen aus. Stiefelabdrücke hatten ein wildes Muster hinterlassen. Kleine Füße und große Füße, als hätten sie im Blut getanzt.
    Maikea folgte der Spur bis zum Kamin und schrie plötzlich auf: »Jan!« Sie erschrak über die eigene schrille Stimme
    »Bleib, wo du bist, Maikea«, sagte Tasso im strengen Ton. Er näherte sich bereits der Feuerstelle und beugte sich über die Gestalt, die dort am Boden lag.
    »Geert hat eine Wunde am Hals, aus der er viel Blut verliert.« Tasso zog seinen Schal aus und drückte ihn auf die Verletzung. »Der Kampf muss erst vor kurzem stattgefunden haben, sonst wäre er schon tot.«
    »Aber wo ist Jan? Mein Gott, wohin hat er mein Kind geschleppt?« Maikea fühlte sich wie zerrissen. Sie wollte bei Geert bleiben, der blutend auf dem Boden lag. Doch wenn sie sich ausmalte, dass ihr Junge in den Händen dieses skrupellosen Switterts war … und Weert, dessen Grausamkeit sie leider zu gut kennengelernt hatte, Jan in diesem Moment einen Schaden zufügte, überschlugen sich ihre Gefühle. Sie drehte sich um und verließ die Stube. »Bleibe du bei Geert, bis Hilfe kommt!«, rief Maikea. »Ich muss diesen verdammten Weert finden! Ich werde nicht zulassen, dass

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