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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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deines Vaters leben, seine Onkel und Brüder schämen sich sehr wegen seiner Verfehlungen. Manche wußten davon, andere nicht. Auf alle Fälle sind sie bereit, dir ein Jahr lang in Dublin Obdach zu geben, während du einen Sekretärinnenkurs absolvierst und vielleicht noch ein paar andere Dinge lernst. Dann suchst du dir eine Stelle und so bald wie möglich auch einen passenden Heiratskandidaten.«
    »Aber Mutter … Ich möchte einen Universitätsabschluß machen. Es ist doch schon alles geregelt, sie haben mich angenommen.«
    »Damit ist es nun vorbei.«
    »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Darüber mußt du dich bei deinem verstorbenen Vater beklagen. Es geht auf sein Konto, nicht auf meines.«
    »Könnte ich denn nicht arbeiten und nebenher zur Universität gehen?«
    »Das klappt nie und nimmer. Und außerdem wird dich seine Verwandtenschar kaum in ihr Haus aufnehmen, wenn du als Putzfrau oder Verkäuferin arbeitest. Und auf eine bessere Stelle kannst du nicht hoffen.«
    Vielleicht hätte sie sich nicht so leicht entmutigen lassen dürfen, sagte sich Connie später. Aber im nachhinein konnte man sich die Zustände damals kaum noch vorstellen. Sie waren einfach alle so erschüttert und durcheinander gewesen.
    Und sie hatte sich so davor gefürchtet, bei ihren Verwandten zu leben, die sie noch nicht einmal kannte, während Mutter und die Zwillinge zurück aufs Land zu Mutters Familie zogen. Mutter sagte, diese Rückkehr in die kleine Stadt, die sie vor langer Zeit im Triumph verlassen hatte, sei das Schlimmste, was man von einem Menschen verlangen könne.
    »Aber sie werden dich bemitleiden und nett zu dir sein«, hatte Connie sie getröstet.
    »Ihr Mitleid und ihre Freundlichkeit will ich nicht haben. Ich wollte Achtung. Doch damit ist es nun vorbei. Und das werde ich ihm nie verzeihen, niemals, solange ich lebe.«
    In dem Sekretärinnenkurs traf Connie Vera, mit der sie zur Schule gegangen war.
    »Es tut mir schrecklich leid, daß dein Vater sein ganzes Geld verloren hat«, sagte Vera sofort, und Connie traten die Tränen in die Augen.
    »Es war furchtbar«, entgegnete sie. »Denn irgendwie ist nicht nur mein Vater gestorben, was ja schon schlimm genug wäre. Sondern es ist auch noch so, als hätten wir ihn die ganze Zeit gar nicht gekannt.«
    »Oh, natürlich habt ihr ihn gekannt, nur wußtet ihr nicht, daß er gern sein Glück beim Wetten versuchte. Und das hätte er auch nie getan, wenn er geahnt hätte, daß er euch damit so verletzt«, sagte Vera.
    Connie freute sich, auf eine liebenswürdige und verständnisvolle Seele zu treffen. Und obwohl sie und Vera in der Schule keine engen Freundinnen gewesen waren, waren sie von diesem Moment an beinahe unzertrennlich.
    »Du weißt gar nicht, wie schön es ist, wenn man jemanden hat, der einen versteht«, schrieb sie ihrer Mutter. »Das ist wie ein warmes Bad. Bestimmt wären die Menschen bei Großmutter auch so zu dir, wenn du es zulassen und ihnen erzählen würdest, wie schrecklich du dich fühlst.«
    Die Antwort ihrer Mutter war scharf und unmißverständlich. »Du solltest nicht bei jedermann um Mitleid betteln. Mitleid ist auf lange Sicht kein Trost, ebensowenig wie nette, rührende Worte. Würde und Stolz sind das einzige, was du auf deinem Lebensweg brauchst. Ich bete, daß sie dir nicht genommen werden wie mir.«
    Nie ein Wort, daß sie Vater vermißte. Was für ein liebevoller Ehemann, für ein guter Vater er gewesen war. Sie nahm seine Bilder aus den Fotorahmen und ließ die Rahmen versteigern. Connie wagte nicht zu fragen, ob wenigstens ihre Kinderfotos noch existierten.
    Connie und Vera besuchten die Sekretärinnenschule mit gutem Erfolg. Neben Stenografie und Maschineschreiben hatten sie auch Kurse in Buchführung und allgemeiner Büroorganisation, all das, was eben zu einer gründlichen Ausbildung gehörte. Die Familie des Onkels, bei der sie wohnte, war beschämt über ihre Notlage und ließ ihr deshalb mehr Freiheit, als ihre Mutter ihr gewährt hätte.
    Connie genoß ihre Jugend und Dublin in vollen Zügen. Sie und Vera gingen zum Tanzen und lernten dabei nette Leute kennen. Ein Junge namens Jacko interessierte sich für Connie, und dessen Freund Kevin hatte ein Auge auf Vera geworfen, also gingen sie oft zu viert aus. Aber weder Connie noch Vera meinten es wirklich ernst, im Gegensatz zu den Jungen, die sie drängten, mit ihnen zu schlafen. Connie wollte nichts davon wissen, aber Vera willigte ein.
    »Warum tust du das bloß, wenn es dir gar

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