Die irische Signora
Schwierigkeiten gewesen war, aber schließlich doch noch ihre Schulden beglichen hatte, habe sie dazu verleitet, noch einmal eine hohe Summe zu investieren, als Dank dafür, daß sie ihnen damals in der Not geholfen habe, obwohl sie nicht dazu verpflichtet gewesen wäre. Lorenzo verstand die Sache nicht in allen Einzelheiten, aber er machte sich große Sorgen. Gus sei am Ende, er habe alles versucht. Das Hotel müsse renoviert werden, denn die Gesundheitsbehörde habe festgestellt, daß Brandgefahr bestehe, aber sie hätten nicht die finanziellen Mittel dafür. Gus habe alles wieder investiert, und es gebe keine Möglichkeit, an das Geld heranzukommen. Anscheinend existierte auf den Bahamas ein Gesetz, das unverhältnismäßig lange Kündigungsfristen vorsehe, bevor man über sein Geld verfügen könne.
Als sie das hörte, bremste Connie abrupt und lenkte den Wagen zum Straßenrand.
»Bitte erzählen Sie mir das noch einmal, Lorenzo.« Ihr Gesicht war kreidebleich.
»Ich bin auch kein Finanzexperte, Constanza.«
»Kann ich mit Ihrem Neffen sprechen? Bitte.«
»Es gefällt ihm vielleicht nicht, daß ich Ihnen von seinen Geschäftsangelegenheiten erzählt habe …« Lorenzo tat es beinahe leid, daß er sich dieser freundlichen Frau anvertraut hatte.
»Bitte, Lorenzo.«
Während der Unterhaltung mit dem besorgten Gus mußte Connie um einen Brandy bitten. Die Geschichte war zu widerwärtig, zu schmutzig. Nach der Rettung seiner Investition vor fünf Jahren hatte man Gus und wahrscheinlich noch viele andere überredet, ihr Geld noch einmal in zwei völlig getrennt operierende Firmen in Freeport und Nassau zu stecken.
Mit Tränen in den Augen las Connie die Namen der Geschäftsführer: Harold Kane und Siobhan Casey. Gus und Lorenzo starrten sie verständnislos an. Zuerst nahm sie ihr Scheckbuch heraus und schrieb Gus einen Scheck über eine hohe Summe aus, dann gab sie ihm die Adresse einer ausgezeichneten Bau- und Malerfirma, guten Freunden von ihr. Auch einen Elektriker empfahl sie ihm, bat jedoch, ihren Namen ihm gegenüber nicht zu erwähnen.
»Aber warum machen Sie das alles, Constanza?« Gus war völlig perplex.
Connie zeigte auf die Namen auf dem Briefpapier. »Das ist mein Ehemann, und diese Frau ist seine Geliebte. Ich habe jahrelang so getan, als interessiere mich ihre Affäre nicht. Daß er mit ihr schläft, macht mir wirklich nichts aus, aber bei Gott, es macht mir sehr wohl etwas aus, daß er mein Geld dazu verwendet hat, anständige Leute zu betrügen.« Sie wußte, daß sie ziemlich verstört wirkte.
Gus sprach sehr sanft mit ihr. »Ich kann dieses Geld nicht annehmen, Mrs. Kane. Das ist viel zuviel.«
»Wir sehen uns am Dienstag, Lorenzo«, erwiderte sie und ging.
An wie vielen Donnerstagabenden hatte sie beim Nachhausekommen gehofft, daß er da wäre, und wie selten hatte sie ihn tatsächlich angetroffen. Dieser Abend war da keine Ausnahme. Trotz der späten Stunde rief sie den alten Freund ihres Vaters, T. P. Murphy, an. Dann telefonierte sie mit ihrem Anwalt. Als sie mit ihrer Unterredung fertig waren, war es elf Uhr abends.
»Was werden Sie jetzt tun?« fragte sie den Anwalt.
»Harcourt Square anrufen«, erwiderte er knapp. Das war der Sitz des Betrugsdezernats.
Er war in jener Nacht nicht heimgekommen. Connie hatte keinen Schlaf gefunden. Jetzt begriff sie, wie dumm es gewesen war, dieses Haus so lange zu behalten. Die Kinder waren längst ausgezogen. Mit blassem Gesicht fuhr sie in die Stadt und parkte ihren Wagen. Dann holte sie noch einmal tief Luft und stieg die Treppen zum Büro ihres Mannes hinauf, zu einer Besprechung, die sein Leben von Grund auf verändern würde.
Man hatte sie vorgewarnt, daß es eine umfangreiche und größtenteils negative Berichterstattung geben und daß auch an ihr etwas hängenbleiben würde. Daher schlug man ihr vor umzuziehen. Schon vor Jahren hatte sie eine kleine Wohnung gekauft, für den Fall, daß ihre Mutter einmal nach Dublin ziehen wollte. Sie befand sich im Erdgeschoß eines Hauses an der Küste. Das war der ideale Ort. Sie konnte ihre Sachen innerhalb weniger Stunden dorthin schaffen.
»Länger werden Sie auch nicht Zeit dazu haben«, sagte man ihr.
Sie wollte zuerst unter vier Augen mit ihm sprechen.
Er saß in seinem Büro und sah zu, wie Akten und Software abtransportiert wurden. »Ich wollte doch nur jemand sein«, sagte er.
»Das hast du mir schon einmal gesagt.«
»Nun, jetzt sage ich es noch einmal. Nur, weil man es zweimal
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