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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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er.
    »Gut, dann verweise ich sie also auf Siobhan?« sagte sie mit Unschuldsmiene.
    »Wie du sehr gut weißt, fährt Siobhan mit auf die Bahamas.«
    »Aha, auf wen also dann?«
    »Ich wäre überhaupt nicht gefahren, Connie, wenn du dich normal benehmen würdest und nicht wie ein Steuerprüfer, der mich überall einengt und kontrolliert.«
    »Aber wenn es sich um eine Geschäftsreise handelt, mußt du doch fahren, oder?« sagte sie, und da ging er und knallte die Tür zu. Sie versuchte, weiter Zeitung zu lesen. Szenen wie diese, bei denen er wegging und sie weinte, hatte es schon zu oft gegeben. Das war kein Leben.
    Sie las ein Interview mit einem Schullehrer, der am Mountainview College, einer großen städtischen Schule in einer ziemlich rauhen Gegend, einen Italienisch-Abendkurs einrichtete. Das war Jackos Wohngebiet. Mr. Aidan Dunne sagte, er glaube, daß die Menschen des Viertels sich sowohl für die italienische Lebensweise und Kultur als auch für die italienische Sprache interessierten. Seit der Fußballweltmeisterschaft sei das Interesse an Italien in der irischen Bevölkerung stark gewachsen. Sie würden ein breit gefächertes Programm anbieten. Connie las den Artikel noch einmal. Es war durchaus denkbar, daß Jacko sich dort einschrieb. Und falls nicht, wäre sie wenigstens zweimal pro Woche in seiner Gegend. Da stand eine Telefonnummer, sie würde sich sofort anmelden, bevor sie es sich wieder anders überlegte.
     
    Natürlich hatte Jacko sich nicht eingeschrieben. Solche Sachen passierten nur in Büchern oder Filmen. Aber Connie gefiel der Kurs. Diese wundervolle Frau, die Signora, war nicht viel älter als sie selbst und die geborene Lehrerin. Obwohl sie nie die Stimme erhob, hörten alle aufmerksam zu. Sie war stets freundlich, aber erwartete, daß die Teilnehmer lernten, was sie ihnen aufgab.
    »
Constanza
 … ich fürchte, Sie beherrschen die Uhrzeiten noch nicht richtig, Sie kennen nur
sono le due, sono le tre
 … und das wäre in Ordnung, wenn es nur ganze Stunden gäbe, aber Sie müssen die halben und Viertelstunden auch wissen.«
    »Es tut mir leid, Signora«, antwortete Mrs. Constance Kane beschämt. »Ich hatte ziemlich viel um die Ohren und kam nicht dazu, es zu lernen.«
    »Nächste Woche werden Sie es fehlerfrei beherrschen«, erwiderte die Signora, und dann saß Connie da, steckte ihre Finger in die Ohren und murmelte:
sono le sei e venti
. Wie war sie nur hierhergeraten, in diese abbruchreife Schule am anderen Ende der Stadt, in dieses Klassenzimmer zusammen mit dreißig Fremden, mit denen sie Sprechchöre intonierte, Lieder sang, sich mit Meisterwerken der Malerei, der Bildhauerei und der Baukunst befaßte, italienische Speisen probierte und italienische Opern anhörte? Und was dem Ganzen die Krone aufsetzte, es machte ihr sogar Spaß.
    Sie erzählte Harry davon, als er sonnengebräunt und etwas milder gestimmt von den westindischen Inseln zurückkam. Aber er wirkte nicht besonders interessiert.
    »Was willst du bloß in dieser üblen Gegend, dort oben mußt du ja aufpassen, daß dir die Radkappen nicht geklaut werden«, sagte er. Das war sein einziger Kommentar zu ihrem Abendkurs.
    Auch Vera war nicht gerade begeistert. »Das ist ein gefährliches Viertel, du forderst das Schicksal geradezu heraus, wenn du mit deinem teuren Auto dorthin fährst. Und um Gottes willen, Connie, laß bitte die goldene Uhr zu Hause.«
    »Ich weigere mich, dieses Viertel als Ghetto zu betrachten. Das wäre überheblich.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was dich dorthin zieht. Gibt es nicht genügend Italienischkurse, zu denen du nicht so weit fahren müßtest?«
    »Mir gefällt es dort, und außerdem hoffe ich immer ein wenig, Jacko in einem der Kurse zu begegnen«, erwiderte Connie mit einem schelmischen Lächeln.
    »Allmächtiger Gott, hattest du in deinem Leben nicht schon genug Ärger?« sagte Vera und verdrehte die Augen. Vera steckte bis über beide Ohren in der Arbeit, sie führte immer noch das Büro für Kevin und paßte auch noch auf ihren Enkelsohn auf. Deirdre hatte ein kräftiges, süßes Baby zur Welt gebracht, wollte sich jedoch nicht durch überholte Normen wie die Versklavung durch die Ehe gängeln lassen.
    Connie mochte die anderen Kursteilnehmer, zum Beispiel den ernsten Bill Burke, Guglielmo, und seine aufregende Freundin Elisabetta. Er arbeitete in der Bank, die die Rettungsstrategie für Harry und seine Partner ausgearbeitet hatte, aber er war zu jung, um darüber Bescheid wissen

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