Die irische Signora
entschuldigte sich Laddy.
»Ich bringe es Ihnen bei«, sagte der Mann.
Und da geschah es. Die Weissagung der Zigeunerin erfüllte sich. Laddy war ein Naturtalent. Der Geschäftsmann aus Birmingham wollte nicht glauben, daß er noch nie gespielt hatte. Er lernte die Reihenfolge der Kugeln: Gelb, Grün, Braun, Blau, Rosa, Schwarz. Er lochte jede davon mühelos und kunstfertig ein. Zuschauer umringten den Billardtisch.
Laddy wurde tatsächlich zu einem erfolgreichen Sportler, wie man es ihm prophezeit hatte.
An den Wetten, die auf ihn abgeschlossen wurden, beteiligte er sich jedoch nie, denn sie alle konnten keinen Penny entbehren. Aber er gewann viele Wettkämpfe, und sein Bild tauchte in der Zeitung auf. Man lud ihn sogar ein, einem Club beizutreten. Er war nun eine kleine Berühmtheit auf seinem Gebiet.
Rose verfolgte all das mit großer Freude. Endlich war ihr Bruder ein geachteter Mann. Und sie mußte ihren Sohn jetzt nicht einmal mehr bitten, sich nach ihrem Tod um Laddy zu kümmern. Denn Laddy würde bis an sein Lebensende bei Gus und Maggie bleiben. Rose klebte Zeitungsberichte über seine Billarderfolge in ein Album ein, und von Zeit zu Zeit sahen sie es sich zusammen an.
»Wäre Shay stolz auf das alles gewesen, was meinst du?« fragte Laddy eines Abends. Mittlerweile ein Mann mittleren Alters, hatte er Shay Neil zeit seines Lebens kaum jemals erwähnt. Den Mann, den er in jener Nacht mit einem einzigen kräftigen Hieb getötet hatte.
Rose zuckte zusammen. Sie antwortete langsam und bedächtig. »Ich denke, er hätte sich vielleicht gefreut. Aber, weißt du, bei ihm konnte man nur schwer erraten, was er wirklich gedacht hat. Er hat so wenig gesprochen, woher sollte man da wissen, was in seinem Kopf vorging?«
»Warum hast du ihn geheiratet, Rose?«
»Damit wir eine Familie haben«, antwortete sie schlicht.
Dies schien Laddy als Erklärung zu genügen. Er rechnete wohl nicht mehr damit, daß er selbst einmal heiraten oder mit einer Frau zusammensein würde. Sicherlich hatte er sexuelle Sehnsüchte und Bedürfnisse wie jeder Mann, aber er äußerte sich nie darüber. Und mit der Zeit war Snooker offenbar zu einem angemessenen Ersatz geworden. Als sich herausstellte, daß Roses Unterleibsbeschwerden eine Totaloperation erforderlich machten, und sich später zeigte, daß auch diese nicht zur Heilung geführt hatte, mußte sich Rose keine Sorgen um die Zukunft machen.
Der Arzt erlebte es nicht oft, daß eine Patientin derart gelassen auf eine so endgültige Diagnose reagierte.
»Wir werden dafür sorgen, daß Sie sowenig Schmerzen wie möglich haben«, sagte er.
»Oh, da bin ich sicher. Wissen Sie, ich würde jetzt am liebsten in ein Pflegeheim gehen, falls das möglich ist.«
»Ihre Angehörigen lieben Sie sehr und würden sich bestimmt gut um Sie kümmern«, entgegnete der Arzt.
»Ja, aber sie haben ein Hotel zu führen. Und sie würden viel zuviel Zeit damit verbringen, mich zu pflegen, deshalb wäre ich lieber nicht dort. Bitte, Doktor, ich werde im Pflegeheim keinerlei Probleme machen.«
»Daran zweifle ich nicht«, erwiderte der Doktor und schneuzte sich laut die Nase.
Wie alle Menschen in einer solchen Situation erlebte auch Rose Augenblicke, in denen sie zornig und verbittert war, aber sie ließ sich gegenüber ihrer Familie oder den anderen Patienten im Pflegeheim nichts anmerken. Sie haderte nur selten mit ihrem Schicksal, sondern schmiedete lieber Pläne für die Monate, die ihr noch blieben.
Wenn ihre Angehörigen zu Besuch kamen, erzählte sie kaum von Schmerzen und Unwohlsein, aber viel über das Heim und dessen Arbeitsweise. Das Pflegeheim war ein angenehmer Ort, an dem man offen für neue Ideen war. Darauf sollten sie ihre Energie richten, anstatt sie mit Süßigkeiten und Bettjäckchen zu versorgen. Sie sollten etwas Sinnvolles tun, etwas Hilfreiches. Das wollte Rose von ihrer Familie.
Also ging man daran, es anzupacken.
Laddy besorgte einen gebrauchten Billardtisch und gab Stunden, Gus und Maggie veranstalteten einen Kochkurs. So vergingen die Monate unbeschwert und heiter. Obwohl Rose mittlerweile stark abgemagert war und nur noch langsam gehen konnte, versicherte sie, daß sie keine Schmerzen habe. Sie erklärte, sie brauche auch kein Mitleid, sondern nur nette, anregende Gesellschaft. Immerhin sei sie noch bei klarem Verstand.
Für den Geschmack von Gus und Maggie war ihr Verstand sogar zu klar, denn sie konnten nicht vor ihr verbergen, daß sich eine Katastrophe ereignet
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