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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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Praxis. In Miss Caseys Ton schwang immer ein gewisses Maß an Respekt mit, wenn sie von ihren Partnern sprach, als ob es Leute wären, die großen Einfluß hatten, Leute, mit denen man sich besser keinen Ärger einhandelte.
    Gus war sich klar darüber, daß seine Mutter, hätte sie noch gelebt, dagegen gewesen wäre. Und gerade deshalb konnte er selbst nicht verstehen, warum er so naiv war und sich darauf einließ. Laddy erzählten sie nichts davon. Sie bemühten sich einfach nur zu sparen, wo es ging. Die Anschaffung eines dringend benötigten neuen Boilers war genauso wenig möglich wie der Kauf eines neuen Teppichs für die Empfangshalle. Sie konnten sich nur einen billigen Läufer leisten, der die ausgetretenen Stellen verdeckte. Aber Laddy spürte, daß etwas nicht stimmte, und das machte ihm Sorgen. An schlechtem Geschäftsgang konnte es nicht liegen, die Gäste kamen in Scharen. Allerdings war das herzhafte irische Frühstück nicht mehr ganz so herzhaft wie früher, und Maggie meinte, Laddy brauche auf dem Markt keine frischen Blumen mehr zu besorgen, das käme zu teuer. Als eine der Kellnerinnen kündigte, wurde keine neue mehr eingestellt.
    Mittlerweile kamen immer mehr Gäste aus Italien, und Paolo, der in der Imbißbude arbeitete, wurde es allmählich leid, jedesmal zu übersetzen. »Wenigstens einer von euch sollte eigentlich Italienisch lernen«, sagte er zu Gus. »Ich meine, wir sind alle Europäer, aber keiner von euch hat es auch nur versucht.«
    »Ich hatte gehofft, die Mädchen würden sich vielleicht für Sprachen interessieren«, entschuldigte sich Gus. Doch diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllt.
    Einmal stieg ein italienischer Geschäftsmann mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in ihrem Hotel ab. Während der Mann von früh bis spät in Begleitung von Mitarbeitern der irischen Handelskammer unterwegs war, durchstreifte seine Frau die Geschäfte, wo sie weiche irische Tweedstoffe und teuren Schmuck begutachtete. Die beiden Jungen im Teenageralter langweilten sich unterdessen und murrten. Also erbot sich Laddy, mit ihnen Snooker zu spielen. Nicht in einem normalen Billardsalon, wo geraucht, getrunken und gewettet wurde, sondern in einem katholischen Jungenclub, wo ihnen nichts passieren konnte. Dank Laddy war ihr Urlaub gerettet.
    Paolo bereitete eine Wörterliste für ihn vor …
tavola da biliardo, sala da biliardo, stecca da biliardo
. Die Jungen ihrerseits prägten sich die englischen Ausdrücke dafür ein.
    Die Familie war sehr wohlhabend und kam aus Rom, aber das war auch schon alles, was Laddy über sie in Erfahrung brachte. Vor ihrer Abreise ließen sie sich mit Laddy vor dem Hotel fotografieren. Dann stiegen sie in ihr Taxi und fuhren zum Flughafen. Als das Taxi davonbrauste, entdeckte Laddy auf dem Bürgersteig eine Rolle Geldscheine. Irische Geldscheine, fest zusammengehalten von einem Gummiband. Laddy blickte auf, aber das Taxi war schon weit weg. Sie würden nie wissen, wo sie das Geld verloren hatten. Vielleicht bemerkten sie es ohnehin erst zu Hause. Außerdem waren sie reich und würden diesen Verlust verschmerzen. Hatte die Frau nicht jedesmal ein Vermögen ausgegeben, wenn sie in der Grafton Street beim Einkaufen gewesen war?
    Sie brauchten dieses Geld nicht wirklich.
    Ganz im Gegensatz zu Maggie und Gus, die dringend einige Neuanschaffungen zu machen hatten. Schöne neue Speisekartenhalter brauchten sie zum Beispiel. Ihre waren schon sehr fleckig und unansehnlich. Außerdem mußte das Schild über der Eingangstür erneuert werden. Ungefähr vier Minuten lang spann er diese Gedanken weiter, doch schließlich seufzte er tief und nahm den Bus zum Flughafen, um ihnen ihr verlorenes Geld zu bringen.
    Sie waren gerade dabei, ihre wunderschönen, teuren, weichen Lederkoffer aufzugeben. Noch einmal geriet er für einen Moment ins Wanken, aber dann hob er die Hand und winkte, bevor er es sich noch einmal anders überlegen konnte.
    Die ganze Familie schloß ihn dankbar in die Arme. Allen Umstehenden teilten sie lautstark mit, was für großzügige und fabelhafte Leute die Iren seien. In ihrem ganzen Leben hätten sie noch keine so netten Menschen kennengelernt. Ein paar Scheine wurden aus dem Bündel herausgezogen und Laddy in die Tasche gesteckt. Aber das war nicht wichtig.
    »
Può venire alla casa. La casa a Roma
«, baten sie ihn.
    »Sie haben Sie eingeladen, zu ihnen nach Rom zu kommen«, übersetzte einer der Wartenden, erfreut darüber, daß einem seiner Landsleute soviel

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