Die irische Signora
habe nichts gegen dich gesagt.
Nein
!« Dieses Mal schrie sie es heraus, anstatt in wahnsinniger Angst beschwörend zu flüstern, damit ihr Bruder und ihr Sohn nichts bemerkten.
Ihr Schreien schien ihn noch mehr anzustacheln. »Du bist eine Schlampe«, sagte er. »Eine gewöhnliche Schlampe. Du kannst nicht genug davon bekommen, das war schon immer dein Problem, schon bevor du verheiratet warst. Du widerst mich an.« Er schwang den Gürtel und zog ihn ihr erst über die Schultern, dann über den Kopf.
Zugleich rutschte seine Hose auf den Boden, und er zerrte an ihrem Nachthemd. Sie wollte nach dem Stuhl greifen, um sich damit zu verteidigen, aber er kam ihr zuvor, zerschmetterte ihn an der Bettkante und ging, das Bruchstück hoch erhoben, auf sie los.
»Nicht, Shay, in Gottes Namen, hör auf.« Es war ihr egal, ob jemand es hörte. Hinter ihm an der Tür erblickte sie die kleine, erschreckte Gestalt von Gus, der vor Angst auf seine kleine Hand biß, und dahinter Laddy. Durch ihre Schreie aus dem Schlaf gerissen, standen sie beide wie angewurzelt da und konnten ihre Augen nicht von der schrecklichen Szene abwenden. Bevor ihr noch bewußt wurde, was sie tat, hatte Rose schon geschrien: »Hilfe, Laddy, hilf mir.« Und dann sah sie, wie Laddy seinen riesigen Arm um Shays Hals schlang und ihn zurückhielt.
Gus schrie vor Entsetzen. Rose raffte ihr zerfetztes Nachthemd zusammen. Ohne auf das Blut zu achten, das ihr von der Stirn lief, rannte sie zu ihrem Sohn, um ihn auf den Arm zu nehmen.
»Er ist nicht er selbst«, sagte sie zu Laddy. »Er weiß nicht, was er tut. Wir müssen ihn irgendwo einsperren.«
»Daddy«, schrie Gus.
Shay befreite sich aus Laddys Griff und ging mit dem Stuhlbein in der Hand auf Mutter und Kind los.
»Laddy, um Himmels willen«, flehte sie ihn an.
Shay hielt inne und richtete seinen Blick auf Laddy, den großen Jungen mit dem roten, verschwitzten Gesicht, der im Schlafanzug dastand, unsicher und erschreckt.
»Nun, Lady Rose, haben Sie da nicht einen wahrhaft prächtigen Beschützer? Den Dorftrottel im Schlafanzug, ist das nicht ein feiner Anblick? Dieser Hanswurst will jetzt wohl seine große Schwester verteidigen.« Er sah von einem zum anderen, maß Laddy mit höhnischen Blicken. »Mach schon, du großer Junge, schlag mich doch. Schlag mich, Laddy, du dicker, fetter Einfaltspinsel. Komm schon.« Das Stuhlbein mit seiner spitzen Bruchstelle war eine gefährliche Waffe.
»Schlag ihn, Laddy«, schrie Rose, und da ließ Laddy seine große Faust auf Shays Kiefer donnern. Im Fallen stieß Shay sich an dem marmornen Waschtisch. Man hörte ein knirschendes Geräusch, und dann lag er mit weit geöffneten Augen auf dem Boden. Rose setzte Gus sanft auf dem Boden ab, der Junge weinte nicht mehr. Die Stille schien endlos zu dauern.
»Ich glaube, er ist tot«, sagte Laddy schließlich.
»Du hast getan, was du tun mußtest, Laddy.« Laddy sah sie ungläubig an. Er hatte gedacht, er hätte etwas Schreckliches angestellt. Er hatte Shay zu hart geschlagen, er hatte ihn totgeschlagen. Dabei hatte Rose ihn schon oft gewarnt: »Du weißt nicht, wie stark du bist, Laddy, sei vorsichtig.« Aber diesmal kein Wort davon. Er konnte kaum fassen, was passiert war. Laddy wandte den Blick von den starren Augen am Boden ab.
Rose sprach langsam weiter: »Laddy, jetzt möchte ich, daß du dich anziehst, mit dem Fahrrad in die Stadt fährst und Dr. Kenny erzählst, daß der arme Shay hingefallen ist und sich am Kopf gestoßen hat. Dr. Kenny wird es Father Maher sagen, und dann werden dich die beiden wieder hierher zurückbringen.«
»Und soll ich sagen, daß …?«
»Du sagst, daß du lautes Geschrei gehört hast und daß Shay hingefallen ist und daß ich dich gebeten habe, zum Doktor zu fahren.«
»Aber ist er nicht … ich meine, wird Dr. Kenny ihn …?«
»Dr. Kenny wird tun, was er kann, und dann wird er dem armen Shay die Augen schließen. Sei jetzt so gut und zieh dich an, Laddy, ja?«
»Und du, bist du in Ordnung, Rose?«
»Mir geht es gut, und Gus auch.«
»Mir geht es gut«, bestätigte Gus, der noch immer einen Daumen im Mund hatte und mit der anderen Hand ganz fest Roses Hand hielt.
Wie von Sinnen fuhr Laddy durch die Dunkelheit, der Lichtstrahl seiner Fahrradlampe bewegte sich wild auf und ab und streifte die furchteinflößenden Schatten der Nacht.
Dr. Kenny und Father Maher schnallten sein Fahrrad auf das Dach des Arztautos. Bei ihrem Eintreffen war Rose sehr gefaßt. Sie hatte sich
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