Die irische Signora
muß ständig herumjammern, daß sie hier ein Pfund oder dort ein Kilo zuviel hat oder daß schon wieder ein Reißverschluß geplatzt oder eine Strumpfhose zerrissen ist. Mein Gott, sie macht einen wahnsinnig. Ich werde bestimmt nicht heimgehen, um mir das anzuhören, das kannst du mir glauben.«
Es entstand eine Pause. Bill war nahe daran, sie auf einen Drink einzuladen, doch dann fiel ihm seine finanzielle Situation wieder ein. Jetzt hatte er einen wirklich guten Grund, um mit seiner Monatskarte nach Hause zu fahren und heute abend keinen einzigen Penny mehr auszugeben.
Genau in diesem Moment kam Grania mit einem Vorschlag: »Ich könnte dich eigentlich ins Kino und danach auf eine Portion Pommes einladen. Was hältst du davon?«
»Das geht doch nicht, Grania.«
»Und ob das geht. Ich schulde dir noch was dafür, daß du dich zu diesem Kurs angemeldet hast. Du hast mir damit einen großen Gefallen getan.« Dagegen ließ sich nichts sagen.
Sie gingen das Kinoprogramm in der Abendzeitung durch, überlegten in schönster Eintracht, welcher Film gut und welcher schlecht sein könnte. Mit einer Frau wie Grania zusammenzusein wäre so einfach, dachte Bill wieder einmal. Und er war sich sicher, daß Grania das gleiche dachte. Aber wenn es nun einmal nicht ging, dann war eben nichts zu machen. Sie würde weiterhin diesen seltsamen älteren Mann lieben und die Schwierigkeiten, die auf sie zukamen, wenn ihr Vater davon erfuhr, in Kauf nehmen. Und er würde bei Lizzie bleiben, die ihm tagtäglich das Herz brach. So war das nun mal im Leben.
Als er zu Hause ankam, empfing ihn seine Mutter mit besorgter Miene. »Diese Lizzie war hier«, eröffnete sie ihm. »Du sollst sofort zu ihr in die Wohnung kommen, egal wann.«
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Er war beunruhigt. Es sah Lizzie eigentlich nicht ähnlich, einfach bei ihm zu Hause hereinzuschneien, nicht nach den wenig ermutigenden Reaktionen auf ihren ersten Besuch.
»Oh, da ist so einiges nicht in Ordnung, würde ich sagen. Dieses Mädchen steckt immer in Schwierigkeiten«, meinte seine Mutter.
Aus ihr würde er nicht mehr herausbekommen als diese Äußerung allgemeinen Unmuts. Also verließ er das Haus wieder und nahm den Bus zu Lizzies Wohnung.
Da saß sie in jener lauen Septembernacht vor dem Haus, in dem sie ein Apartment gemietet hatte. Sie kauerte auf den breiten steinernen Stufen, die zur Haustür führten, die Hände um die Knie geschlungen, und wippte vor und zurück. Zu seiner Erleichterung weinte sie nicht und schien auch nicht aufgeregt oder außer Fassung zu sein.
»Wo warst du?« fragte sie ihn vorwurfsvoll.
»Und wo warst
du
?« entgegnete Bill. »
Du
sagst doch immer, ich soll nicht anrufen und nicht vorbeikommen.«
»Ich war hier.«
»Ja, und ich bin ausgegangen.«
»Wohin?«
»Ins Kino«, entgegnete er.
»Ich dachte, wir haben kein Geld, und so ganz normale Sachen wie Kinobesuche sind verboten?«
»Es hat mich nichts gekostet. Grania Dunne hat mich eingeladen.«
»Ach ja?«
»Ja. Was ist denn das Problem, Lizzie?«
»Alles«, erwiderte sie.
»Warum bist du zu mir nach Hause gekommen?«
»Ich wollte dich sehen, damit du alles wieder in Ordnung bringst.«
»Na, du hast es geschafft, meiner Mutter und mir einen ordentlichen Schrecken einzujagen. Warum hast du mich nicht in der Arbeit angerufen?«
»Ich war so verwirrt.«
»Ist deine Mutter gut angekommen?«
»Ja.«
»Und, hast du sie abgeholt?«
»Ja«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Mit dem Taxi?«
»Ja.«
»Na, was war das Problem?«
»Sie hat über meine Wohnung gelacht.«
»Oh, Lizzie.
Bitte
. Du hast mich doch nicht ganze vierundzwanzig Stunden später extra hierherkommen lassen, nur um mir das mitzuteilen, oder?«
»Doch«, lachte sie.
»So ist sie nun mal, und du bist auch so … Menschen wie deine Mutter und du lachen ständig über irgend etwas. Es liegt in eurer Natur.«
»Nein, aber das war ein anderes Lachen.«
»Inwiefern?«
»Sie hat bloß gesagt, das sei wohl ein Witz, und daß sie nun, da sie die Wohnung gesehen habe, ja wieder gehen könne. Sie meinte, ich hätte doch hoffentlich nicht etwa das Taxi weggeschickt, nachdem ich sie in dieser Wildnis ausgesetzt hätte.«
Bill wurde traurig. Der Vorfall hatte Lizzie offenbar ziemlich mitgenommen. Was für eine gedankenlose Person diese Frau war! Da sah sie ihre Tochter so selten, und nicht mal für die paar Stunden ihres Besuches konnte sie nett zu ihr sein.
»Ich weiß, ich weiß«, besänftigte er sie.
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