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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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könntest … Man kann sich nicht mehr vernünftig mit ihr unterhalten.«
    »Ich soll mit ihr reden? Ausgerechnet ich?«
    »Na, immerhin hast du gesagt, du willst sie kennenlernen, Bill. Darum hast du mich schon mehrmals gebeten.«
    Er blickte in das schöne, bekümmerte Gesicht der Frau, die er liebte. Natürlich hatte er seine zukünftige Schwiegermutter kennenlernen wollen. Aber nicht, wenn sie in einem Apartment eingeschlossen war. Nicht, nachdem sie seit mehr als dreißig Stunden festgehalten wurde und kurz davor war, die Polizei zu rufen. Diese Begegnung erforderte mehr diplomatisches Geschick, als von Bill Burke je verlangt worden war.
    Er überlegte, wie seine Lieblingsromanhelden wohl gehandelt hätten, und kam zu dem sicheren Schluß, daß ihnen niemals eine derartige Situation zugemutet worden wäre.
    Die beiden stiegen die Treppe zu Lizzies Wohnung hinauf. Hinter der Tür waren keine Geräusche zu hören.
    »Kann es sein, daß sie irgendwie herausgekommen ist?« flüsterte Bill.
    »Nein. Unten am Fenster ist so eine Art Riegel. Den hat sie unmöglich aufgekriegt.«
    »Und wenn sie die Scheibe eingeschlagen hat?«
    »Nein, du kennst meine Mutter nicht.«
    Das stimmt, dachte Bill, aber er würde sie bald kennenlernen, wenn auch unter äußerst merkwürdigen Umständen. »Wird sie gewalttätig werden, auf mich losgehen oder so?«
    »Nein, natürlich nicht«, tat Lizzie seine Befürchtungen ab.
    »Sprich du erst mal mit ihr und sag ihr, wer ich bin.«
    »Nein, sie ist böse auf mich. Aber bei jemand anderem wird sie sich vielleicht zusammenreißen.« Lizzie sah ihn mit ängstlich aufgerissenen Augen an.
    Bill straffte die Schultern. »Ähm, Mrs. Duffy, mein Name ist Bill Burke, ich arbeite bei der Bank«, sagte er schließlich. Es kam keine Antwort. »Mrs. Duffy, ist alles in Ordnung? Können Sie mir versichern, daß Sie die Ruhe bewahren werden und bei guter Gesundheit sind?«
    »Warum sollte ich die Ruhe bewahren und bei guter Gesundheit sein? Meine geisteskranke Tochter hat mich hier eingesperrt, und das wird sie jeden Tag, jede Stunde ihres restlichen Lebens bereuen.« Ihre Stimme klang sehr zornig, aber nicht leidend.
    »Nun, Mrs. Duffy, wenn Sie bitte ein Stück von der Tür zurücktreten, dann kann ich hereinkommen und Ihnen alles erklären.«
    »Sind Sie ein Freund von Elizabeth?«
    »Ja, ein sehr guter Freund. Ich habe sie sehr gern.«
    »Dann müssen Sie auch geisteskrank sein«, sagte die Stimme.
    Lizzie blickte auf. »Jetzt weißt du, was ich meine«, flüsterte sie.
    »Mrs. Duffy, ich finde, das können wir viel besser von Angesicht zu Angesicht besprechen. Ich komme jetzt, also gehen Sie bitte ein wenig zur Seite.«
    »Sie kommen nicht herein. Ich habe einen Stuhl unter die Türklinke gestellt, falls diese Verrückte noch mehr Drogensüchtige oder Kriminelle mitbringt wie Sie. Ich bleibe hier, bis jemand kommt, um mich zu retten.«
    »Ich bin doch gekommen, um Sie zu retten«, beschwor Bill sie verzweifelt.
    »Sie können den Schlüssel so lange herumdrehen, wie Sie wollen, Sie kommen nicht herein.«
    Es stimmte, wie Bill feststellte. Sie hatte sich tatsächlich verbarrikadiert.
    »Durch das Fenster?« wandte er sich an Lizzie.
    »Man muß ein bißchen klettern, aber ich zeige es dir.«
    Bill erschrak. »Ich hatte eigentlich gemeint,
du
sollst durch das Fenster klettern.«
    »Das kann ich nicht, Bill, du hast sie doch gehört. Sie ist wie ein wilder Stier. Sie würde mich umbringen.«
    »Und was glaubst du, wird sie mit mir anstellen, vorausgesetzt, ich komme überhaupt hinein? Sie hält mich für einen Drogensüchtigen.«
    Lizzies Lippen zitterten. »Du hast versprochen, mir zu helfen«, sagte sie kleinlaut.
    »Zeig mir das Fenster«, gab Bill sich geschlagen. Man mußte wirklich ein bißchen klettern, und als er das Fenster erreichte, sah er die Stange, die Lizzie davor festgeklemmt hatte. Er zog sie behutsam heraus, öffnete das Fenster und schob den Vorhang beiseite. Eine blonde Frau um die Vierzig mit verlaufener Wimperntusche im Gesicht bemerkte ihn, als er gerade durchs Fenster stieg, und ging mit einem Stuhl auf ihn los.
    »Bleiben Sie mir vom Leibe, raus hier, Sie nichtsnutziger kleiner Schläger«, kreischte sie.
    »Mummy, Mummy«, schrie Lizzie draußen vor der Wohnungstür.
    »Mrs. Duffy, bitte, bitte.« Bill ergriff den Deckel des Brotkastens, um sich damit zu verteidigen. »Mrs. Duffy, ich bin gekommen, um Sie herauszulassen. Sehen Sie, hier habe ich den Schlüssel. Bitte,

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