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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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bitte, stellen Sie den Stuhl hin.«
    Als er ihr tatsächlich einen Schlüssel entgegenstreckte, schien sich ihr gehetzter Blick etwas zu entspannen. Sie stellte den Stuhl auf den Boden und musterte ihn mißtrauisch.
    »Lassen Sie mich einfach die Tür aufsperren, dann kann Lizzie hereinkommen, und wir können alles in Ruhe besprechen«, bat er und bewegte sich auf die Tür zu.
    Doch Lizzies Mutter hatte den Küchenstuhl schon wieder ergriffen. »Gehen Sie von der Tür weg. Womöglich wartet da draußen eine ganze Bande. Ich habe Lizzie zwar schon gesagt, daß ich kein Geld und keine Kreditkarten besitze … es ist sinnlos,
mich
zu kidnappen. Für mich wird keiner Lösegeld bezahlen. Sie haben sich wirklich die falsche Person ausgesucht.« Mit ihren zitternden Lippen ähnelte sie ihrer Tochter dermaßen, daß Bill spürte, wie sich der vertraute Beschützerinstinkt in ihm regte.
    »Da draußen wartet nur Lizzie, keine Bande. Das ist alles ein Mißverständnis«, erwiderte er in besänftigendem Ton.
    »Sie können mir viel erzählen. Ich bin hier seit letzter Nacht eingesperrt mit diesem wahnsinnigen Mädchen, und dann haut sie ab und läßt mich zurück, ganz allein, und ich habe keine Ahnung, wer als nächster an der Tür auftaucht, und dann kommen Sie durchs Fenster herein und bedrohen mich mit dem Brotkasten.«
    »Nein, nein, den habe ich mir erst geholt, als Sie den Stuhl genommen haben. Sehen Sie, ich lege ihn wieder hin.« Mit seinem Ton erzielte er eine beachtliche Wirkung. Anscheinend wollte sie jetzt vernünftig mit ihm reden. Sie stellte den roten Küchenstuhl hin und setzte sich darauf, erschöpft, verängstigt und ratlos, was sie jetzt tun sollte.
    Bills Atem ging wieder ruhiger. Er beschloß, es für einen Augenblick lang gut sein zu lassen und keine neuen Vorschläge zu machen. Die Wohnungstür konnte man auch später öffnen. Argwöhnisch beäugten sie einander.
    Bis von draußen jemand rief: »Mummy? Bill? Was ist los? Warum seid ihr so still?«
    »Wir ruhen uns aus«, rief Bill zurück und fragte sich, ob das eine ausreichende Erklärung war.
    Doch Lizzie schien damit zufrieden. »In Ordnung«, kam es von draußen.
    »Steht sie unter Drogen?« wollte ihre Mutter wissen.
    »Nein. Herrgott, nein, überhaupt nicht.«
    »Nun, worum geht es dann eigentlich? Warum sperrt sie mich ein und will sich angeblich mit mir unterhalten, redet aber dann nichts als Unsinn?«
    »Ich glaube, sie vermißt Sie«, erwiderte Bill bedächtig.
    »Sie wird mich von nun an noch viel mehr vermissen«, sagte Mrs. Duffy.
    Bill musterte sie und versuchte, sich ein Bild von ihr zu machen. Ihr jugendliches Aussehen und die schlanke Figur erweckten den Eindruck, als gehöre sie einer ganz anderen Generation an als seine eigene Mutter. Sie trug ein fließendes, kaftanartiges Kleid und Glasperlenketten. In ihrer Aufmachung ähnelte sie den New Age-Anhängern, jedoch fehlten die typischen offenen Sandalen und das lange, wallende Haar. Sie hatte die gleichen Locken wie Lizzie, aber mit grauen Strähnen. Wenn nicht ihr verweintes Gesicht gewesen wäre, hätte man glauben können, sie wolle zu einer Party gehen. Was sie ja auch vorgehabt hatte.
    »Ich glaube, Lizzie war traurig darüber, daß Sie beide sich so auseinandergelebt hatten«, sagte Bill, was die Frau im Kaftan nur mit einem verächtlichen Schnauben kommentierte. »Weil Sie so weit entfernt wohnen und so.«
    »Nicht weit genug, das kann ich Ihnen versichern. Eigentlich wollte ich mich mit ihr nur treffen und irgendwo kurz etwas trinken, aber nein, sie bestand darauf, mich mit dem Taxi abzuholen, und dann hat sie mich hierhergeschleppt. Ich sagte ihr, ich hätte nur wenig Zeit, weil ich zu Chesters Vernissage gehen wollte … Was Chester wohl glaubt, wo ich abgeblieben bin! Ich darf gar nicht daran denken.«
    »Wer ist Chester?«
    »Er ist ein Freund, meine Güte, nur ein Freund, einer der Leute, die bei mir in der Nähe wohnen. Er ist Künstler. Wir sind alle zusammen hierhergefahren, und bestimmt fragt sich jeder, was mit mir passiert ist.«
    »Werden die anderen nicht auf die Idee kommen, hier nach Ihnen zu suchen, bei Ihrer Tochter?«
    »Nein, natürlich nicht, warum sollten sie?«
    »Aber sie wissen, daß Sie eine Tochter in Dublin haben?«
    »Ja, kann schon sein. Sie wissen, daß ich drei Kinder habe, aber ich rede nicht pausenlos von ihnen. Sie wissen jedenfalls nicht, wo Elizabeth wohnt oder so.«
    »Und Ihre sonstigen Freunde, Ihre richtigen Freunde?«
    »Das sind

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