Die irische Signora
Sie Ihren Lebensunterhalt, Bernie? Haben Sie eine Stelle?«
Lizzies Mutter sah ihn an, als hätte er gerade ein ordinäres Geräusch von sich gegeben. »Wie bitte?«
»Ich meine, wenn Lizzies Vater Ihnen kein Geld gegeben hat, müssen Sie doch Ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Ganz einfach.« Er ließ nicht locker.
»Das kommt davon, weil er bei einer Bank arbeitet, Mummy«, entschuldigte Lizzie ihn. »Das mit dem Lebensunterhalt ist ihm furchtbar wichtig.«
Auf einmal wurde es Bill zuviel. Hier saß er mitten in der Nacht in diesem Haus und versuchte, zwischen diesen verrückten Frauen Frieden zu stiften, und dabei dachten die,
er
sei der Verrückte, nur weil er eine Stelle hatte, seine Rechnungen bezahlte und ein geregeltes Leben führte. Nun, jetzt reichte es ihm jedenfalls. Sollten sie sich doch allein zusammenraufen. Er würde jetzt heimgehen, in sein ödes Haus, zu seiner bedauernswerten Familie.
Er würde nie einen Posten im internationalen Bankgeschäft bekommen, und wenn er noch so gut auf italienisch über »schöne Gebäude« und »rote Nelken« plaudern konnte und sämtliche Begrüßungsfloskeln beherrschte. Von nun an würde er nicht mehr versuchen, selbstsüchtige Menschen dazu zu bringen, in den anderen etwas Gutes zu entdecken. Er spürte ein ungewohntes Kribbeln in seiner Nase und seinen Augen, als müßte er gleich zu weinen anfangen.
Beiden Frauen fiel gleichzeitig auf, daß sich sein Gesichtsausdruck verändert hatte. Er schien weit weg zu sein.
»Ich wollte mich über Ihre Frage nicht lustig machen«, sagte Lizzies Mutter. »Natürlich muß ich Geld verdienen. Ich helfe in dem Haus, wo ich mein Apartment habe, im Haushalt. Dort erledige ich die leichteren Arbeiten, Saubermachen und so. Und wenn sie Partys feiern … nun, dann räume ich hinterher auf. Außerdem mache ich die Bügelwäsche. Ich habe schon immer gerne gebügelt. Zum Ausgleich muß ich keine Miete bezahlen, und natürlich bekomme ich auch ein kleines Taschengeld.«
Lizzie sah ihre Mutter ungläubig an. Das war also die künstlerische Lebensart, der Umgang mit den Reichen und Mächtigen, den Playboys und der Schickeria, die im Südwesten Irlands einen zweiten Wohnsitz hatten. Ihre Mutter war ein Hausmädchen.
Mittlerweile hatte Bill seine Fassung zurückgewonnen. »Das ist sicher keine schlechte Lösung«, sagte er. »Auf diese Weise schlagen Sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe – Sie haben eine schöne Unterkunft, sind unabhängig, müssen sich aber auch keine Gedanken darüber machen, wie das Essen auf den Tisch kommt.«
Sie musterte sein Gesicht, um herauszufinden, ob er das sarkastisch gemeint hatte, fand aber kein Anzeichen dafür. »Sie haben recht«, sagte Bernie Duffy schließlich. »Genauso ist es.«
Bill glaubte, schnell etwas sagen zu müssen, bevor Lizzie mit irgendeiner Bemerkung herausplatzte, die alles zunichte machen konnte. »Vielleicht könnten Lizzie und ich Sie einmal besuchen, wenn es wärmer wird. Es wäre mir eine große Freude. Wir könnten den Bus nehmen und in Cork umsteigen.«
»Seid ihr beide … Ich meine, sind Sie Lizzies Freund?«
»Ja, wir wollen mit fünfundzwanzig heiraten, also in zwei Jahren. Ich hoffe auf einen Posten in Italien, deshalb machen wir zusammen einen Italienischkurs.«
»Ja, das hat sie mir erzählt, neben all dem anderen Gequassel«, sagte Bernie.
»Daß wir heiraten?« Bill freute sich.
»Nein, daß sie Italienisch lernt. Das fand ich dann noch verrückter.«
Es schien alles gesagt zu sein. Bill erhob sich, als wäre er ein ganz normaler Gast, der sich an einem ganz normalen Abend verabschieden will. »Bernie, es ist spät geworden. Jetzt fahren keine Busse mehr, und selbst wenn noch welche fahren würden, wäre es wahrscheinlich schwierig, Ihre Freunde ausfindig zu machen. Deshalb schlage ich vor, daß Sie heute nacht hierbleiben, nur wenn Sie möchten natürlich, und der Schlüssel bleibt selbstverständlich im Schloß. Morgen, wenn Sie beide sich gut erholt haben, sagen Sie einander friedlich und ohne Groll auf Wiedersehen. Ich sehe Sie wahrscheinlich erst nächsten Sommer wieder, denn es würde mir ein Vergnügen sein, Sie in West-Cork zu besuchen.«
»Gehen Sie nicht«, flehte Bernie. »Gehen Sie nicht. Solange Sie hier sind, ist sie nett und ruhig, aber wenn Sie zur Tür hinaus sind, wird Sie wieder loszetern, ich hätte sie verlassen.«
»Nein, nein. Das hat sich jetzt alles von Grund auf geändert.« Er sprach mit Überzeugung. »Lizzie,
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