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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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nach unten. Ich spüre den Antrieb meines Körpers, den Wasserwiderstand. Ich fange an zu strampeln, strecke den anderen Arm aus und ziehe ihn nach unten. So wie ich immer schwimmen wollte, so wie Schwimmen sich immer richtig angefühlt hat. Ich hebe kurz den Kopf über Wasser: Sie sind im Fluss, aber harmlos. In diesem Element sind sie strampelnde Hunde, aber ich ein Delfin.
    Das Boot hat abgelegt und ist ein gutes Stück stromabwärts in der Mitte des Flusses. In Sicherheit. Auf dem Steg drängeln sich wütend zischende und knurrende Jäger. Ich sehe Epap und Jacob, die das Boot hastig mit den Stangen vorwärtsstoßen.
    Ich versuche zu rufen, doch in dem prasselnden Regen hören sie mich nicht. Ich rufe lauter, doch nun weht der Wind meine Rufe davon. Ich mache ein paar weitere Züge, doch auch wenn ich schnell bin, so ist das Boot, in der Mitte des Flusses von einer stärkeren Strömung getragen, noch schneller. Es entfernt sich, während ich spüre, wie meine Kräfte schwinden. Mein Körper fühlt sich mit einem Mal unfassbar schwer an, Arme und Beine sind mit Flüssigkeit durchtränkt. Meine Lungen scheinen außerstande, Luft einzusaugen.
    »Hey!«, rufe ich. »Wartet!«
    Es sind meine Kleider. Vollgesogen mit Wasser sind sie zum Ballast geworden. Aber ich kann sie nicht ausziehen. Ich kann unmöglich auf der Stelle strampeln und gleichzeitig meine Kleider abstreifen. Also plage ich mich weiter, konzentriere mich darauf, einen Arm vor den anderen zu bringen und mit aller Kraft durchzuziehen. Aber sosehr ich mich auch abmühe, das Boot entfernt sich immer weiter.
    Sie lassen mich zurück. Die Hepra.
    Ich drehe mich auf den Rücken und lasse mich treiben, weil ich zu erschöpft bin, weiterzuschwimmen; Regentropfen fallen auf mein Gesicht. Ich begreife endlich, was es bedeutet, ausgestoßen zu sein. Ich habe es mein Leben lang gespürt, aber jetzt weiß ich es.
    Ashley June hat mir erzählt, wie sie manchmal auf dem Schulhof versucht war, sich in den Finger zu stechen. Es geschehen zu lassen, nachzugeben. Jetzt wäre es leicht. Die Augen zu schließen, meinen Körper treiben zu lassen und mich von ihnen einholen zu lassen. Endlich zu kapitulieren. Bei so vielen würde mein Ende schnell kommen.
    Aber es jetzt enden zu lassen, würde auch bedeuten, den einzigen Menschen im Stich zu lassen, der mich niemals im Stich lassen wollte. Ashley June.
    Ich drehe mich wieder um und mache einen Zug nach dem anderen, kraftlos. Meine Arme fühlen sich an wie Lehmklumpen, die im Wasser spritzen. Ich sinke.
    Dann höre ich ganz in meiner Nähe ein Platschen.
    Hände fassen mich von hinten, ein Arm schlingt sich um meine Brust. Ein Gesicht taucht neben meinem aus dem Wasser auf.
    »Ich hab dich, lass dich einfach treiben, ich hab dich.«
    In meiner Erschöpfung denke ich, es ist Ashley June, ihre flüsternde Stimme spuckt Wasser in meinen Nacken und mein Ohr, ihr Atem ist heiser und warm. Ich will sie fragen, wie sie aus der Grube entkommen und so schnell hierhergekommen ist …
    Aber dann werde ich wie ein Fischnetz an Bord und in die Mitte des Bootes gezogen. Besorgte Gesichter blicken auf mich herab. David. Und Jacob. Ein Körper plumpst neben meinen, nass und schwarz wie eine Robbe.
    Sissy.
    »Dreht ihn auf die Seite«, sagt sie, Wasser spuckend.
    Ich spüre die Planken an meiner Wange, glatt und verwittert, das leise Plätschern am Rumpf.
    Das Boot ist kaum mehr als ein besseres Floß, aber breit und stabil, die Kabine in der Mitte eher ein hölzerner Unterstand. Am Heck staken Epap und Jacob jetzt wieder mit den Pfählen ins Wasser und steuern das Boot in der Mitte des Flusses stromabwärts. Und da ist Ben: Er sitzt unter dem Dach, hält seine Knie umschlungen. Er sieht mich an und ein schüchternes Lächeln bricht sich in seinem tränenüberströmten Gesicht Bahn. Mit dem Daumen weist er auf die Kabine, und als ich von innen ein Wiehern und Huftrappeln höre, verstehe ich.
    Die ganze Nacht lang folgen uns Hunderte von ihnen am Ufer, ihr Geheul ist erfüllt vom Hass der Betrogenen und Benachteiligten. Es ist eine endlose Nacht voller Regen, Dunkelheit und dem ununterbrochenen Lärm ihrer Urschreie. Schließlich hört es auf zu regnen und die Wolken ziehen weiter. Der Mond und die Sterne kommen heraus und leuchten mit ihrem matten Licht auf die gierigen Hundertschaften am Ufer. Das Mondlicht macht sie wütend, doch sie wollen nicht umkehren, sondern verfolgen uns weiter. Wie immer wird der Nachthimmel irgendwann ein wenig

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