Die Jagd am Nil
Becken in Bewegung. Er tauchte unter. Obwohl der Schacht nicht groß war, konnte er sie nicht finden. Er kehrte an die Oberfläche zurück, holte Luft, tauchte erneut mit ausgestreckten Armen in die Tiefe und streifte etwas Weiches. Als er danach griff, entglitt es ihm. Er setzte hinterher, bekam schließlich einen Arm zu fassen, packte das Handgelenk, stieß sich mit einem kräftigen Beinschlag nach oben und zog Gaille mit sich, die das Wasser aushustete und instinktiv nach Atem rang.
Er fand Halt an der Wand und schlang einen Arm um die bewusstlose Gaille. Dann leuchtete er mit der Taschenlampe durch das überschwemmte Gefängnis. Und während Lily neben ihm mit ihrer Panik kämpfte, formte sich in seinem Kopf die unbeantwortbare Frage:
Was nun?
Kapitel 53
I
Schwer keuchend brachte Nasser das Seil hinauf auf die Felswand zu Khaled und Faisal.
«Was ist mit Abdullah?», fragte Faisal.
Nasser schüttelte nur den Kopf.
Faisal sah todunglücklich aus. «Es ist vorbei», sagte er. «Wir sind am Ende.»
«Was redest du da?»
«Was glauben Sie denn? Abdullah ist tot. Wie sollen wir das erklären?»
«Wir sagen, dass wir uns Sorgen gemacht haben, nachdem dieser Polizist uns von den geheimnisvollen Stimmen erzählt hat», erwiderte Khaled finster. «Wir sagen, dass wir beschlossen haben, uns sofort auf die Suche zu machen. Abdullah ist ausgerutscht und abgestürzt. Es ist eine Tragödie, aber nicht unsere Schuld. Dieser Polizist ist schuld, weil er uns falsche Informationen gegeben hat.»
«Das wird uns keiner glauben.»
«Hör mir gefälligst zu, du jämmerlicher, kleiner Feigling», schrie Khaled. «Wir ziehen das durch. Und zwar gemeinsam. Verstanden?»
«Ja.»
«Ja, was?»
«Ja, Sir?»
«Schon besser.» Khaled starrte Faisal und Nasser wütend an, hängte dann erneut das Seil um die Felsnase und überlegte, wieer das Beste aus seinen begrenzten Mitteln machen konnte. Faisal durfte er auf keinen Fall allein hier oben lassen; bei der ersten Gelegenheit würde der Feigling türmen. «Nasser, du bleibst hier und gibst uns Rückendeckung. Faisal, du kletterst mit mir nach unten.»
«Aber ich …»
Khaled drückte Faisal den Lauf seiner Walther gegen die Wange. «Du tust genau das, was man dir befiehlt», brüllte er. «Ist das klar?»
«Ja, Sir.»
II
«Es kommt doch Hilfe, oder?», stieß Lily japsend hervor. «Bitte sagen Sie mir, dass Hilfe kommt.»
«Ja», versicherte ihr Knox. «Hilfe ist unterwegs.»
«Wann kommen die Leute?»
«Sie kommen so schnell, wie sie können», versprach er. «Draußen tobt ein fürchterlicher Sturm.»
«Sie sind Knox, oder? Daniel Knox?» Lily deutete auf Gaille. «Sie hat gesagt, dass Sie uns suchen werden. Sie hat gesagt, Sie würden uns retten.» Doch als sie sich umschaute und ihr klar wurde, dass er in der gleichen verzweifelten Lage war wie sie und niemanden retten konnte, musste sie gegen die Tränen ankämpfen.
«Schon gut», beruhigte er sie. «Alles wird gut. Sie haben sich wirklich prächtig gehalten.» Vor allem, um nicht in Trübsal zu verfallen, leuchtete er wieder mit der Taschenlampe umher und betrachtete die im Wasser treibenden Holzbretter und leeren Plastikflaschen, die nackten Wände und den Rand das Schachts gutfünf Meter über ihren Köpfen. Dann tastete er seine Taschen ab. Er hatte noch die Schere aus dem Wagen bei sich. Doch selbst wenn er Trittlöcher in den Kalkstein treiben könnte, wäre der Schacht viel zu hoch zum Hinaufklettern, erst recht für Gaille und Lily.
Er zog Gaille fester an sich. Als ihr Kopf zurückkippte, sah er eine klaffende Wunde in ihrer Kopfhaut, aus der wässriges Blut sickerte. «Was ist eigentlich passiert?», fragte er.
«Diese Bretter lagen quer über dem Schacht», sagte Lily schluchzend. «Sie müssen heruntergekracht sein. Ich war gerade unter Wasser und habe versucht, durch die Mauer zu graben.»
«Durch die Mauer zu graben?»
Lily nickte energisch, als würde sie wieder Hoffnung schöpfen. «Wir haben da unten ein paar
talalat
entdeckt. Nachdem wir einen rausgekriegt hatten, hatten wir gehofft, einen Abfluss für das Wasser graben zu können. Aber dann ist alles eingestürzt. Stafford wurde … er wurde …»
Knox nickte. Er musste sich die Sache anschauen. «Können Sie Gaille einen Moment halten?», fragte er.
«Ich kann nicht», jammerte Lily. «Tut mir leid. Ich kann einfach nicht mehr.»
«Bitte. Nur einen Moment. Sie müssen es versuchen.»
Sie sah nicht glücklich aus, nickte aber. Er
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