Die Jagd am Nil
gefahren», murmelte jemand und rief damit Gelächter hervor. Doch als der Pick-up von einem weiteren Windstoß beinahe selbst über die Kante geschleudert wurde, verging den Männern das Lachen.
III
Knox fiel an Abdullah vorbei in die Tiefe. Aber noch immer hatte er das Seil fest in beiden Händen, und da sich Abdullah das andere Ende durch den Gürtel gezogen hatte, übertrug sich der Schwung von Knox’ Fall sofort auf ihn. Knox knallte gegen die Felswand, bekam einen Stein zu fassen und ließ das Seil los. Abdullah hatte weniger Glück. Die Knie knickten ihm weg, sein rechter Fuß rutschte von dem nassen, schmalen Vorsprung und seine Hand wurde von der Öffnung des Grabmals weggerissen. Mit einem gellenden Schrei stürzte er an Knox vorbei und schlug mit einem schrecklichen, dumpfen Knall unten auf die Felsen. Dann war alles still.
Eine Lawine aus kleinen Steinen rieselte herab. Als Knox nach oben schaute, sah er Khaled an der Felskante stehen, in der einen Hand eine Taschenlampe, in der anderen eine Pistole. Vier Schüsse peitschten durch die Nacht und prallten von den Steinen ab. Knox krabbelte auf den Vorsprung, auf dem Abdullah gestanden hatte, und presste sich unter einen schmalen Überhang. Im Felsen entdeckte er ein klaffendes Loch, das groß genug war, um sich hindurchzuzwängen. Auf der anderen Seite lag eine Taschenlampe auf dem Boden. Er hob sie auf und schwenkte sie herum. Eine Kammer, in der knöcheltief Wasser stand, dahinter führte ein Gang in den Berg. «Gaille!», rief er, als er durchs Wasser platschte. «Gaille!»
Von vorn hörte er einen Schrei. Eine hohe Frauenstimme, abgehackt, verängstigt. Aber es war nicht Gaille, es musste Lily sein, die andere Geisel. Sie klang eher panisch als erleichtert. Er stürmte blindlings los und hätte den Schacht beinahe nicht rechtzeitig gesehen. Schwankend kam er an der Kante zum Stehen, über die das Wasser schwappte. Nachdem er sein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, strahlte er mit der Taschenlampe hinab und erkannte in gut fünf Metern Tiefe Lily, die sich umgeben von im Wasser treibenden Plastikflaschen und Holzbrettern mit einer Hand an die Wand klammerte, mit der anderen Gailles Kopf über Wasser hielt und vor Schmerz und Erschöpfung schrie.
«Halten Sie durch!», rief Knox.
«Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr.»
Er schaute sich um und suchte nach einem Weg, zu ihr hinab- und wieder hinaufzukommen. Er sah einen in den Boden gehämmerten Eisenhaken, fand aber nichts, was er daran hätte festbinden können. Und das Seil hatte Abdullah bei seinem Sturz mit in die Tiefe genommen.
«Hilfe!», schrie Lily. «Hilfe!» Ein Strahl Regenwasser fiel ihr inden offenen Mund, und als sie würgte und spuckte und im Wasser umherstrampelte, rutschte ihr Gaille aus dem Arm, die sofort unterging.
«Gaille!», rief Knox. «Gaille!»
Lily paddelte wieder an die Wand und klammerte sich mit beiden Händen fest. «Tut mir leid», sagte sie weinend. «Tut mir leid.»
Knox hatte keine Zeit zum Nachdenken. Keine Sekunde. Er umklammerte die Taschenlampe, stieß einen Schrei aus und sprang mit den Füßen voran in den Schacht.
IV
Khaled starrte noch immer hinab in die Dunkelheit, als Nasser und Faisal zu ihm an die Felskante gelaufen kamen.
«Was ist passiert?», fragte Faisal. «Wo ist Abdullah?»
«Abgestürzt», sagte Khaled und drehte sich zu den beiden Männern um. Faisal sah bleich aus, Abdullah war sein Freund gewesen. Nasser machte im Gegensatz zu ihm einen ziemlich gefassten Eindruck, jedenfalls schien er über ihre Situation nachzudenken. «Er hat das Seil mit sich gerissen», sagte er zu Nasser. «Wir brauchen es. Geh los und hol es.»
«Aber ich …»
«Willst du aus dieser Sache rauskommen oder nicht?»
«Natürlich.»
«Dann tu, was ich sage», fauchte Khaled. «Hol mir das Seil.»
«Ja, Sir.»
V
Knox durchschlug die Wasseroberfläche und tauchte mit angezogenen Beinen unter. Trotzdem schlug er hart mit den Füßen und dem Rücken auf den Grund des Schachts, krachte mit dem Kopf gegen die Wand und schürfte sich Arme und Beine auf. Als er Wasser schluckte, stieß er sich automatisch vom Boden ab und tauchte hustend und prustend wieder auf, atmete dankbar ein und schwenkte sofort die Taschenlampe umher. «Gaille?», rief er.
Lily schüttelte verzweifelt den Kopf, sie benötigte alle Kraft, um sich an der Wand festzuhalten.
Knox schwamm herum und tastete im Wasser nach Gaille. Da unablässig Regenwasser herabstürzte, war alles im
Weitere Kostenlose Bücher