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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Schauer lief ihm über den Rücken. An diesem Ort lebten Geister. Er legte eine Hand auf das Holster seiner Walther und fühlte sich ein wenig besser.
    Die Freunde seiner Kindheit hatten es verflucht, zur Armee eingezogen und damit ihrer Heimat und ihrer Familie entrissen zu werden. Nur Khaled hatte sich darauf gefreut. Er hatte sich nie ein anderes Leben vorgestellt. Ihm gefiel die Disziplin und die kalte Macht einer Waffe, und er genoss es, wie Frauen einen gutaussehenden Mann in Uniform anschauten. Er war durch die Grundausbildung gesaust und hatte sich freiwillig für die Spezialkräfte beworben. Unter den Offizieren galt er als der kommende Mann.
    Er ging zum Eingang des Grabmals, entriegelte die Tür und schob sie auf. Dahinter lagen die steilen Stufen, die in die Grabkammer hinabführten. Die Lampen auf beiden Seiten summten wie Insekten. Schlecht gelaunt sah er zu, wie die Fernsehleute in das Gebäude traten und hinabstiegen.
    Seine Armeekarriere hatte eines Nachmittags in Kairo ein abruptes Ende genommen. Er hatte seinen befehlshabenden Offizier zu einem Treffen im Ministerium gefahren, als ein Straßenjunge gegen sein Fenster gespuckt hatte. Diese respektlose Tat konnte nicht toleriert werden, erst recht nicht, wenn sein Vorgesetzter zuschaute. Was als Nächstes passiert war, hatte ein zufällig vorbeikommender Tourist gefilmt, den Film dann an irgendeinen Weltverbesserer von Journalisten weitergegeben, der den Jungen aufgespürt und eingewickelt wie eine Mumie in seinem Bett gefilmt hatte. Sein Vorgesetzter war eingeschritten und hatte ihn vor einem Prozess bewahrt. Aber er hatte sich damit einverstandenerklären müssen, eine Stelle außerhalb der Armee anzutreten. Er hatte sich damit einverstanden erklären müssen, dieser erbärmlichen Touristenpolizei beizutreten und am Arsch der Welt stationiert zu werden. Sechs Monate, hatte man ihm versprochen. Nur so lange, bis sich die Aufregung gelegt hatte.
    Das war vor achtzehn Monaten gewesen.
    Die Fernsehleute erreichten das Ende der Stufen und gingen auf dem Holzsteg über den Schacht in die Grabkammer. Khaled drehte ihnen den Rücken zu. Was sie dort unten vorhatten, interessierte ihn nicht. Nur hier oben musste man sie im Auge behalten.
    Vor sechs Monaten war Amarna von einem so heftigen Sturm heimgesucht worden, als wäre das Ende der Welt gekommen. Am Morgen danach war er mit seinen Männern über das Gelände gefahren. Es war Faisal gewesen, der sie entdeckt hatte. Nicht weit von hier hatte sie mit dem Gesicht nach unten auf den Felsen gelegen, einen Arm über den Kopf ausgestreckt, den anderen unnatürlich zurückgebogen, das Haar voll mit geronnenem Blut klebte an einer blaue Plane.
    Khaled hatte sich neben sie gekniet und ihre Wange berührt. Ihre Haut war wächsern und kalt gewesen, mit Sand und Steinchen bedeckt. Er hatte gehört, dass die Kinder aus der Umgebung nach Stürmen häufig die Wadis durchkämmten, hoffend, dass der Regen ein unentdecktes Grab geöffnet oder Tonscherben in dem typischen Amarna-Blau im Sand freigespült hatte.
Armes, dummes Ding. So viel Risiko für so wenig Lohn.
    «Captain, gucken Sie mal!», hatte Nasser gerufen und auf einen schmalen schwarzen Schlitz in der Sandsteinwand hoch über ihren Köpfen gezeigt. Sein Herz hatte sich wie eine Faust zusammengezogen, nachdem ihm klar geworden war, dass das Mädchen doch nicht nur auf der Suche nach Tonscherben gestorben war. Sie war hinter einer größeren Beute her gewesen.
    In solchen Momenten entschied sich das Schicksal der Menschen. Oder vielleicht erfuhren sie einfach, wer sie wirklich waren. Khaled war sich seiner Pflicht bewusst gewesen. Er hätte den Vorfall sofort seinen Vorgesetzten melden müssen. Vielleicht wäre er dann sogar begnadigt worden und hätte in die Armee zurückkehren können. Aber diese Möglichkeit hatte er keine Sekunde in Betracht gezogen. Nein. Er war geradewegs auf die Felswand zugegangen und hinaufgeklettert.

Kapitel 21
    I
    Als Peterson durch den schmalen Spalt zwischen Augustin Pascals Wohnungstür und dem Rahmen spähte, konnte er sehen, dass sie nur eingeklinkt war. Keine Herausforderung für jemanden mit seiner Vergangenheit.
    Unten knallte eine Tür zu. Er trat einen Schritt zurück und stand mit respektvoll gefalteten Händen da, als hätte er gerade geklopft und wartete nun auf Einlass. Der Fahrstuhl quietschte, Türen gingen auf und zu. Schritte entfernten sich. Im Haus wurde es wieder still.
    Er legte ein Ohr an die Tür. Nichts. Leise

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