Die Jagd am Nil
drückte er den Riegel mit einer Kreditkarte zurück und schlüpfte hinein. Die Badezimmertür war angelehnt, er konnte hören, wie sich jemand Wasser ins Gesicht spritzte. Auf dem Küchentisch stand ein Laptop, auf dem Monitor sah er ein Foto des Mosaiks von seiner Ausgrabungsstätte. Wie betäubt starrte er es an. Kein Wunder, dass der Herr ihn hierhergeführt hatte.
Die Toilettenspülung wurde betätigt. Peterson eilte hinüber ins Schlafzimmer und ließ die Tür einen Spaltbreit offen, damit er hindurchspähen konnte. Einen Moment später tauchte Knox auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. Er ging in die Küche, setzte sich mit dem Rücken zu Peterson und klickte mit der Laptop-Maus einen Internetbrowser an.
Peterson war von Natur aus ein kräftiger Mann, und er hielt sich fit. Er verachtete Menschen, die ihre von Gott gegebenen Gaben verschwendeten. Als junger Mann war er zudem ein ausgezeichneterRinger gewesen. Es hatte ihm gefallen, seine Kraft und Technik mit anderen zu messen, er hatte den gegenseitigen Respekt im Nahkampf genossen, das Niederringen eines Gegners wie eine Schlange ihre Beute, die Anspannung und den Schmerz der Muskeln, die verschwitzte, glitschige Haut, das Gesicht des Kontrahenten nur Zentimeter vom eigenen entfernt. Für die wenigen intensiven Minuten des Kampfes hatte die Welt nur noch aus dem Gegner bestanden. Am meisten aber hatte er den köstlichen Moment des Sichergebens geliebt, das fast unhörbare Ausatmen, wenn der andere seine Niederlage erkannt und akzeptiert hatte. Deshalb wusste er, dass er die Eigenschaften für die Aufgabe besaß, die ihm jetzt bevorstand. Trotzdem war er nervös. Der Teufel war ein mächtiger Widersacher, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte, und er hatte ihn nie zuvor so stark in jemanden gespürt wie in Knox. Selbst wenn alles gutging, riskierte er, zumindest für einen Augenblick gesehen zu werden. Deshalb musste er dafür sorgen, nicht erkannt zu werden.
An der Garderobe hing ein Motorradhelm. Perfekt. Er setzte ihn auf und zog den Kinnriemen zu. Unter dem Helm klang sein Atem fast ein wenig ängstlich. Knox war noch immer mit seinem Laptop beschäftigt. Peterson schob langsam die Tür auf und schlich sich von hinten an ihn heran.
II
«Wurde diese Grabkammer tatsächlich für den Mann gebaut, den wir als Moses kennen?», fragte Stafford rhetorisch, während Lily ihn filmte. «Ich glaube daran.»
Gaille stand still vor der Grabkammer, ein gutes Stück aus der Schusslinie und aus Staffords Blickfeld. Ablenkung konnte ernicht ertragen, aber das war bei einem Mann, der nur sich selbst ertrug, kein Wunder.
«Von Echnatons Leiche wurde hier nie eine Spur gefunden», fuhr er fort. «Von keiner Leiche. Denken Sie darüber nach. Eine so wunderbare Grabkammer, in der nie jemand begraben wurde.»
Gaille verdrehte die Augen. Laut einigen Berichten hatte man hier sehr wohl Spuren menschlicher Überreste gefunden, nur waren sie nicht für eine Analyse konserviert worden. Außerdem waren Teile eines für Echnaton gebauten Sarkophags gefunden worden, zusammen mit zahlreichen Uschebtis, kleinen Echnaton-Statuetten, die nach dem Tod die Knechtarbeit übernehmen sollten, damit Echnatons Seele sie nicht tun musste. Selbst wenn Staffords Theorie stimmte, dass die Juden aus Amarna kamen, konnte man kaum zu der Überzeugung gelangen, dass Echnaton Moses war. Die ägyptische Gesellschaft war äußerst hierarchisch strukturiert gewesen. Pharaonen hatte man gehorcht, auch ketzerischen Pharaonen. Zu seinen Lebzeiten war Echnaton im Amt geblieben und hatte keinerlei Grund gehabt, Amarna zu verlassen. Anderseits konnte sie sich gut vorstellen, dass er nicht in dieser Kammer begraben worden war. Hier wäre er für rachsüchtige Feinde zu leicht zur Zielscheibe geworden. Vielleicht hatten Echnatons Anhänger seinen Leichnam auf ihrer Flucht mitgenommen, oder aber ins Tal der Könige gebracht. Vielleicht sogar an einen Ort in der Nähe.
«Was ist also wirklich mit Echnaton geschehen?», fragte Stafford. «Wohin ist er verschwunden? Und was ist mit seinen Anhängern, die wie er an Aton glaubten? Folgen Sie mir auf einer phantastischen Reise, bei der ich zum allerersten Mal die wahre Geschichte von Moses und der Geburt des jüdischen Volkes aufdecke. Begleiten Sie mich bei meiner Enthüllung des Exodusrätsels.»
In der darauffolgenden Stille machte Lily einen Schwenk durchdie Grabkammer und filmte die verblassten Wandgemälde. Dann senkte sie die
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