Die Jagd am Nil
auch weniger extravagant. Vorher war er einfach zu durcheinander gewesen, um es zu bemerken.
Er öffnete den Kleiderschrank.
Verdammte Scheiße!
Eine Reihe von Jacketts und gebügelten Hemden auf Holzbügeln. Auf den Regalbrettern ordentlich zusammengelegte Unterwäsche. Als er durch einen Stapel T-Shirts wühlte, fiel ihm ein rosaroter Aktenordner auf. Sofort begann sein Herz schneller zu schlagen. Instinktiv wusste er, dass Augustin zurück ins Schlafzimmer gegangen war, um diesen Ordner zu verstecken. Er wusste außerdem, dass er ihn nicht anschauen sollte, es aber trotzdem tun würde. Er ging mit dem Ordner zum Fenster und schlug den Deckel auf. Fotos. Er zog sie heraus und schaute sie sich mit wachsendem Unglauben an. Sein Magen zog sich zusammen, während er sich fragte, was das zu bedeuten hatte. Doch es lag auf der Hand, und er konnte nichts dagegen tun, zumindest im Moment nicht. Er konnte die Fotos nur wieder in den Ordner stecken und ihn dorthin zurücklegen, wo er ihn gefunden hatte.
Da er trotz allem ein frisches Hemd brauchte, zog er eines vom Bügel, eilte hinaus und schloss die Tür hinter sich. Dann setzteer sich an den Küchentisch und grübelte über das nach, was er gerade entdeckt hatte. Es war eine unangenehme Erkenntnis, dass er seinem engsten Freund möglicherweise nicht mehr völlig vertrauen konnte.
II
Als Farooq an seinen Schreibtisch kam, erwartete ihn Salem, der nach seiner Nachtwache vor Knox’ Krankenhauszimmer einen verschlafenen Eindruck machte. «Ja?», fragte Farooq.
«Er ist geflohen, Chef», murmelte Salem.
«Geflohen?», wiederholte Farooq eisig. «Was soll das heißen?»
«Er hat sein Zimmer verlassen, ist aus einem Fenster gesprungen und in ein Taxi gestiegen.»
«Und du hast nichts dagegen unternommen?»
Salem verzog sein Gesicht, als wäre er kurz davor zu weinen. «Woher sollte ich wissen, dass er aus einem Fenster springt?»
Farooq schickte ihn mit einer wütenden Handbewegung davon. Doch in Wirklichkeit war er eher aufgeregt als entsetzt. Er fühlte sich bestätigt, sein Instinkt hatte ihn nicht betrogen. Opfer eines Autounfalls flohen nicht grundlos aus einem Krankenhaus, nicht einmal in Ägypten. Und sie sprangen erst recht nicht aus einem Fenster. Nur ein Mann mit Blut an den Händen würde so weit gehen.
Mit knackenden Gelenken setzte er sich auf seinen Stuhl und fasste im Geiste zusammen, was er wusste. Eine archäologische Ausgrabung. Ein unangekündigter Besuch der staatlichen Antiquitätenbehörde. Ein zweiter Besuch im Schutze der Dunkelheit. Ein Jeep kracht in einen Graben. Ein Mann stirbt. Ein wichtiger Mann zudem. Er biss nachdenklich auf seine Knöchel. Gab esvielleicht auf Petersons Ausgrabungsstätte etwas zu finden? Etwas Wertvolles? Das würde auf jeden Fall einiges erklären, unter anderem sein Gefühl, dass nicht nur Knox Leichen im Keller hatte, sondern auch Peterson.
Er stemmte sich hoch und nahm seine Wagenschlüssel. Er musste sich diese Ausgrabungsstätte selbst ansehen. Doch dann zögerte er. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wonach er suchen sollte. Und wenn Peterson etwas zu verbergen hatte, würde er ihn ohne Zweifel mit Unmengen von Fachbegriffen überschütten. Farooq hasste Fachbegriffe. Er fühlte sich dann jedes Mal ungebildet.
Er schaute auf seine Uhr. Er musste sowieso die Antiquitätenbehörde aufsuchen, um die Mitarbeiter von dem Unfall in Kenntnis zu setzen und mehr über Tawfiq und Knox zu erfahren. Warum waren sie überhaupt nach Borg el-Arab gefahren? Und wenn er höflich fragte, würde ihn vielleicht ein Archäologe auf dem Weg dorthin begleiten.
III
Die hohen Sandsteinwände des Wadi machten wenig Eindruck auf Captain Khaled Osman, als Nasser sie über die neue Straße hinaus zu Echnatons Königsgrab fuhr. In den letzten Monaten hatte er unzählige Touristen auf diesem Weg eskortiert, nie war er dabei jedoch so nervös gewesen. Vielleicht lag es daran, dass diese Leute vom Fernsehen kamen, und er wusste aus eigener bitterer Erfahrung, welchen Schaden Fernsehleute anrichten konnten.
Sie erreichten das Generatorgebäude. Nasser bremste ab. Eine halbe Million ägyptische Pfund hatte der neue Generator gekostet!
Eine halbe Million!
Bei dem Gedanken an das ganze Geld wurdeKhaled etwas unwohl. Nasser fuhr den kurzen Weg am Vorwerk entlang, in dem sich das Grabmal befand, und parkte neben dem Discovery. Khaled öffnete die Tür und sprang hinaus. Die Sonne stand noch so niedrig, dass das Vorwerk im Schatten lag. Ein
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