Die Jagd beginnt
Schankraum mit seinen Gästen existierte. »Lady Selene kommt aus Cairhien, aus der Hauptstadt selbst, und ich komme aus Andor.«
»Wie Ihr sagt, mein Lord.« Frau Madwens Blick huschte zu Rands Schwert hinunter. Die Bronzereiher auf Scheide und Knauf waren deutlich sichtbar. Sie runzelte leicht die Stirn, aber einen Augenblick später hatte sie sich wieder in der Gewalt. »Ihr wünscht sicher ein Mahl für Euch, Eure schöne Lady und Euer Gefolge. Und Zimmer, schätze ich. Ich werde mich darum kümmern, dass Eure Pferde versorgt werden. Ich habe einen guten Tisch für Euch, gleich hier drüben, und Schweinefleisch mit gelbem Pfeffer auf dem Feuer. Sucht Ihr auch nach dem Horn von Valere, mein Lord, Ihr und Eure Lady?«
Rand war gerade dabei, ihr zum Tisch zu folgen, und stolperte fast bei dieser Bemerkung. »Nein! Wieso glaubt Ihr das?«
»Nichts für ungut, mein Lord. Hier kamen schon zwei durch letzten Monat, und beide wie die Helden aufgeputzt. Nicht, dass ich etwas dergleichen über Euch andeuten möchte, mein Lord. Hier kommen nicht viele Fremde her, außer den Händlern aus der Hauptstadt, die hier Hafer und Gerste kaufen. An sich hatte ich nicht geglaubt, dass die Jäger bereits Illian verlassen haben, aber vielleicht glauben einige, sie brauchten den Segen nicht und könnten den anderen zuvorkommen, wenn sie darauf verzichten.«
»Wir jagen nicht nach dem Horn, gute Frau.« Rand sah das Bündel in Loials Armen nicht an. Die bunt gestreifte Decke hing dem Ogier über die kräftigen Arme und verbarg die Truhe recht gut. »Ganz sicher nicht. Wir sind auf dem Weg zur Hauptstadt.«
»Wie Ihr meint, mein Lord. Verzeiht meine Frage, aber geht es Eurer Lady gut?«
Selene sah sie an und sagte zum ersten Mal etwas: »Es geht mir recht gut.« Ihre Stimme ließ die Atmosphäre im Raum einfrieren. Für einen Augenblick lang erstarrte jede Unterhaltung.
»Ihr stammt nicht aus Cairhien, Frau Madwen«, sagte Hurin plötzlich. So, wie er beladen war mit Satteltaschen und Bündeln, wirkte er wie ein wandelnder Gepäckwagen. »Verzeihung, aber Ihr sprecht nicht wie jemand aus Cairhien.«
Frau Madwens Augenbrauen hoben sich. Sie sah schnell zu Rand hinüber und lächelte dann. »Ich hätte wissen sollen, dass Ihr Euren Mann frei sprechen lasst, aber ich habe mich so daran gewöhnt, dass …« Ihr Blick huschte hinüber zu dem Offizier, der sich wieder seiner Mahlzeit zugewandt hatte. »Licht, nein, ich komme nicht aus Cairhien, aber ich habe hier geheiratet. Dreiundzwanzig Jahre lang habe ich mit ihm zusammengelebt, und als er starb – das Licht leuchte ihm –, wollte ich gern nach Lugard zurückkehren, aber wer zuletzt lacht … Er hinterließ mir die Schenke, und das Geld bekam sein Bruder. Dabei war ich so sicher gewesen, es werde andersherum kommen. Ein abgefeimter Bursche war mein Barin, wie alle Männer, die ich kennen gelernt habe, und besonders die aus Cairhien. Nehmt Ihr bitte Platz, mein Lord, Lady?«
Die Wirtin blickte überrascht drein, als sich Hurin an denselben Tisch mit ihnen setzte. Es schien, ein Ogier sei eine Ausnahme, aber Hurin hielt sie auf jeden Fall für einen Diener. Nach einem weiteren schnellen Blick zu Rand hinüber eilte sie in die Küche, und bald kamen Serviererinnen herein und trugen das Mahl auf. Die Mädchen kicherten nervös und starrten den Lord, die Lady und den Ogier an, bis Frau Madwen sie wieder an die Arbeit scheuchte.
Anfangs betrachtete Rand zweifelnd, was er da auf dem Teller hatte. Das Schweinefleisch war in kleine Stücke geschnitten und schwamm zwischen langen Schnitten gelben Pfeffers, Erbsen und anderen Gemüsen, die er nicht kannte, in einer dicken Sauce. Sie roch gleichzeitig süß und scharf. Selene stocherte nur in ihrem Teller herum, aber Loial aß mit herzhaftem Appetit.
Hurin grinste Rand über seine Gabel hinweg an. »Sie verwenden eigenartige Gewürze, Lord Rand, aber es schmeckt trotzdem nicht schlecht.«
»Es wird nicht zurückbeißen, Rand«, fügte Loial hinzu.
Rand aß zögernd ein wenig und ließ es vor Überraschung beinahe wieder aus dem Mund fallen. Es schmeckte so, wie es roch: gleichzeitig süß und scharf. Das Schweinefleisch war außen knusprig und innen zart, schmeckte nach einem Dutzend verschiedener Gewürze, und alle ergänzten sich und blieben dennoch erhalten. Er hatte noch nie etwas Ähnliches im Mund gehabt. Es schmeckte wunderbar. Er aß seinen Teller leer, und als Frau Madwen mit den Serviererinnen kam, um abzuräumen, hätte er
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