Die Jagd beginnt
kann Wache halten. Wirklich! Mein Herr muss sich nicht damit abgeben.«
Rand holte tief Luft und tauschte einen resignierten Blick mit Loial. Der Ogier zuckte die Achseln. Der Schnüffler benahm sich mit jedem in Cairhien verbrachten Tag förmlicher und steifer. Der Ogier sagte dazu meist nur, dass sich Menschen eben oft sehr eigenartig benähmen.
»Hurin«, sagte Rand, »du hast mich doch sonst auch nur Lord Rand genannt und dich nicht jedes Mal verbeugt, wenn ich dich ansah.« Ich will, dass er sich entspannt und mich wieder Lord Rand nennt , dachte er, über sich selbst erstaunt. Lord Rand! Licht, wir müssen hier raus, bevor ich mir wirklich wünsche, dass er sich verbeugt. »Würdest du dich jetzt bitte hinsetzen? Ich werde schon müde davon, dir zuzusehen.«
Hurin stand mit steifem Kreuz da, machte aber dennoch den Eindruck, als sei er sprungbereit, sobald Rand auch nur den kleinsten Wunsch äußerte. Er setzte sich weder hin, noch entspannte er sich. »Das wäre nicht schicklich, Lord Rand. Wir müssen diesen Leuten aus Cairhien beweisen, dass wir uns genauso gut benehmen können wie …«
»Hör endlich auf damit!«, schrie Rand.
»Wie Ihr wünscht, Lord Rand.«
Es kostete Rand Mühe, nicht wieder zu seufzen. »Hurin, es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht anschreien sollen.«
»Das ist doch Euer Recht, Lord Rand«, sagte Hurin schlicht. »Wenn ich etwas nicht so mache, wie Ihr wünscht, ist es Euer Recht, mich anzuschreien.«
Rand trat vor den Schnüffler hin und wollte ihn am Kragen packen und schütteln.
Ein Klopfen an die Verbindungstür zu Rands Zimmer ließ sie gleichzeitig erstarren, aber Rand war froh, als er sah, dass Hurin nicht auf seine Erlaubnis wartete, das Schwert zu ziehen. Die Reiherklinge hing an Rands Gürtel; im Hingehen berührte er den Knauf. Er wartete, bis Loial sich auf seinem langen Bett zurechtgesetzt und Beine und Mantel so arrangiert hatte, dass die mit Decken bedeckte Truhe unter dem Bett verborgen war. Dann riss er die Tür auf.
Dahinter stand der Wirt, der vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen trat und Rand sein Tablett vor die Nase hielt. »Vergebt mir, Herr«, sagte Cuale atemlos. »Ich konnte nicht warten, bis Ihr herunterkamt, und dann wart Ihr nicht in Eurem Zimmer und … und … Vergebt mir, aber …« Er balancierte das Tablett auf den Händen.
Rand schnappte sich die Einladungen – er hatte schon so viele erhalten –, ohne sie anzusehen, packte den Wirt am Arm und drehte ihn zur Tür hin. »Danke, Meister Cuale, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt. Wenn Ihr uns nun bitte verlassen würdet …«
»Aber Herr«, protestierte Cuale, »die hier sind von …«
»Danke schön.« Damit schob Rand den Mann in den Flur hinaus und zog die Tür entschlossen zu. Er warf die Briefe auf den Tisch. »Das hat er vorher nicht gemacht. Loial, glaubst du, er hat an der Tür gelauscht, bevor er klopfte?«
»Du fängst schon an, wie jemand aus Cairhien zu denken.« Der Ogier lachte, aber seine Ohren zuckten nachdenklich, und er fügte hinzu: »Aber er ist ja schließlich aus Cairhien und könnte es deshalb durchaus getan haben. Ich glaube jedoch nicht, dass wir etwas gesagt haben, was er nicht hören durfte.«
Rand bemühte sich, alles noch einmal in sein Gedächtnis zurückzurufen. Keiner von ihnen hatte das Horn von Valere erwähnt oder Trollocs oder auch nur Schattenfreunde. Als er sich dann fragte, was Cuale wohl mit dem anfangen könne, was er tatsächlich gehört haben mochte, schüttelte er sich kurz. »Dieser Ort geht einem ganz schön auf die Nerven«, murmelte er vor sich hin.
»Lord Rand?« Hurin hatte die versiegelten Briefe in die Hand genommen und betrachtete mit großen Augen die Wappen auf den Siegeln. »Lord Rand, die hier sind von Lord Barthanes, dem Hochsitz des Hauses Damodred, und von …« –- seine Stimme erstarb beinahe vor Ehrfurcht – »… König Galldrian.«
Rand winkte ab. »Trotzdem wandern sie ins Feuer wie die anderen. Ungeöffnet!«
»Aber Lord Rand!«
»Hurin«, sagte Rand geduldig, »du und Loial, ihr habt mir dieses Große Spiel erklärt. Wenn ich irgendwohin gehe, wo sie mich eingeladen haben, werden die Leute aus Cairhien etwas hineinlesen und glauben, ich sei ein Teil irgendeiner Intrige. Wenn ich nicht hingehe, lesen sie daraus auch wieder etwas ab. Wenn ich eine Antwort schicke, werden sie darin nach einer versteckten Bedeutung suchen, und wenn ich nicht antworte, natürlich auch. Und da offensichtlich die
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