Die Jagd nach dem Vampir
sein Leiden jedoch selbst auferlegt hatte. Ich wusste genau, dass es eines Tages enden würde und er sich seine Liebe zu Nell eingestehen durfte. Er brauchte nur einen Schubs – oder einen Tritt – in die richtige Richtung.
»Es ist mir egal, was Emma sagt«, murmelte ich, als ich über den Hof ging. »Freunde lassen Freunde nicht leiden.«
Noch bevor ich den gewölbten Gang erreicht hatte, baute ich eine wichtige Änderung in meinen ursprünglichen Plan ein. Natürlich galt die Jagd Rendor, dem Vampir, aber ich würde die Gelegenheit nutzen, Kit zur Vernunft zu bringen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir meine leicht abgewandelte Mission. Niemand konnte mir widerstehen, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte, und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Kit und Nell glücklich zu machen, bis der Tod sie schied. Vielleicht würde die Jagd ja Tage dauern, und dann ergab sich bestimmt die Möglichkeit, ihn von seiner Altersunterschied-Phobie zu heilen, ihn davon zu überzeugen, dass er einen schrecklichen Fehler machte, wenn er Nell zurückwies, und ihn zu überreden, um ihre Hand anzuhalten.
Emma brachte es vielleicht fertig, dabeizustehen und zuzusehen, wie Kit sein Leben ruinierte, aber meine Stiefel waren nicht nur zum Wandern, sondern für einen ordentlichen Tritt gemacht – und ich würde sie einsetzen. Ich war sicher, dass Tante Dimity nichts dagegen haben würde.
Mit federnden Schritten und strahlendem Blick betrat ich den Innenhof, aber als ich Kit erblickte, blieb ich abrupt stehen.
Warum saß der überirdische Stallmeister von Anscombe Manor untätig auf einer feuchten Holzbank? Warum trug er Wander- und keine Reitstiefel, Woll- statt Reithosen und eine Regenjacke statt der gewohnten Arbeitsjacke? Hatte er seine Position an einen von Nells zahlreichen Verehrern abgetreten? Hatte die neue Herde Junghengste ihn aus den Ställen vertrieben?
»Hallo Kit!«, rief ich, eilte zu ihm und setzte mich neben ihn auf die Bank. »Warum hast du keine Arbeitssachen an? Bist du krank?«
»Nein, ich bin nicht krank.« Er seufzte traurig. »Ich habe Urlaub.«
Ich runzelte die Stirn. Meines Wissens hatte sich Kit noch keinen einzigen Tag freigenommen, geschweige denn Urlaub gemacht.
»Seit wann gönnst du dir Ferien?«
»Seit Emma mich dazu verdonnert hat. Sie meint, wir sollen die Gelegenheit beim Schopf packen, nun, da wir über zusätzliche Arbeitskräfte verfügen.«
Ich sah zu den Ställen. »Kommen die neuen Stallburschen denn ohne dich aus?«
»Oh ja«, murmelte Kit finster. »Die meisten von ihnen haben zu Hause Stallungen, die noch viel größer sind als diese hier. Ich muss ihnen nicht sagen, was getan werden muss.«
»Aber die Reitstunden …«
Er zuckte mit den Schultern. »Emma und Nell springen für mich ein. Du weißt ja, dass sie ausgezeichnete Reitlehrerinnen sind.«
Er ließ die Schultern sinken und fuhr mit der Schuhspitze über das Kopfsteinpflaster, als langweilte er sich zu Tode. Ich dagegen musste an mich halten, um nicht vor Freude juchzend aufzuspringen. Jetzt, da Kit nichts zu tun hatte, konnte ich ihn viel leichter überreden, mit mir zu kommen. Er musste sich nicht mal umziehen.
»Hast du vor, deinen gesamten Urlaub auf dieser Bank zu verbringen?«, fragte ich.
Kit streckte die langen Beine aus und lehnte sich an die Mauer.
»Ich wollte eigentlich spazieren gehen«, sagte er, »aber ich kann mich nicht aufraffen.«
»Dann raff dich zusammen mit mir auf«, schlug ich strahlend vor. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Kit.«
»Um was für einen Gefallen?«
»Du sollst mir helfen, Rendor zu finden.« Ich hob die Hand, um jegliche Einwände abzuwehren. »Ich weiß alles über den knorrigen Baum und die Fußspuren, die es nicht gibt, aber Will hat ein sehr genaues Bild von Rendor gezeichnet. Deshalb bin ich sicher, dass er und Rob jemanden gesehen haben. Ich weiß nicht, wen, aber ich werde es herausfinden, weil …« Ich atmete tief durch, und dann sprudelte es aus mir heraus: »Weil es sich vielleicht wieder um einen gewalttätigen Psycho handelt und ich nicht riskieren will, wieder im Krankenhaus zu landen – oder wer weiß wo.« Ich machte eine Pause und fügte listig hinzu: »Und da du ja gerade Däumchen zu drehen scheinst …«
Kit sah mich eine Weile an. Schließlich beugte er sich vor und sagte: »Also gut. Ich komme mit. Unter einer Bedingung.«
»Ja?«, sagte ich mit einem zufriedenen Lächeln.
»Wenn wir zu deiner Zufriedenheit
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