Die Jagd nach den Millionendieben
braune Seidenhemd war viel zu schade für so einen Typ.
Daß der jetzt eine Schürze umband und Eiskugeln verteilte, konnte Tarzan sich
nicht vorstellen.
Für ein paar Sekunden
verlangsamte Knubbelnase den Schritt, als zögere er.
Dann ging er entschlossen
weiter, zur Theke, griff dabei in die Tasche, zog seine Geldbörse heraus und
blieb vor der jungen Frau stehen.
„Was macht’s?“ fragte er mit
heiserer Stimme.
Erstaunt sah sie ihn an, dann
in andere Richtung, als wäre dort jemand, der mitzureden hätte.
„Dreifünfzig, Herr Macholt.“
Knubbelnase legte Münzgeld hin.
„Stimmt so.“
Tarzan saß bereits auf seinem
Platz.
Gaby und Klößchen, die
Knubbelnase nicht kannten, löffelten seelenruhig ihr Eis. Aber Karl hatte Augen
wie Untertassen und sah Tarzan bedeutungsvoll an. Im Geist vervollständigte er
seine Zeichnung von Knubbelnase, denn dieses Gesicht würde aus Karls
Computergehirn nicht mehr zu löschen sein.
Macholt ging hinaus.
„Das war er“, zischelte Karl.
„Ich seh’ mal nach meinem Rad“,
sagte Tarzan laut. „Der Hinterreifen ist nicht in Ordnung. Dauernd verliert er
Luft.“
„Was?“ sagte Klößchen. „Wieso?
Dein... Auh! Mann!“
Erschrocken hielt er inne.
Karl hatte ihn vors Schienbein
getreten. Und Klößchen machte ein Gesicht wie ein Ochse, wenn’s gewittert.
Tarzan schlenderte zur Tür. Aus
den Augenwinkeln schielte er zu Dr. Pauling. Der Zeichenlehrer hatte sich
zurückgelehnt. Das bleiche Gesicht zeigte einen überraschten Ausdruck. Sein
Glas war jetzt leer. Das andere enthielt noch das grünliche Zeug.
Tarzan zog seine Jeans hoch. Er
hatte den Gürtel vergessen; und wenn er das glatte Polohemd trug — wie jetzt —,
rutschten sie immer.
In der Tür blieb er stehen und
tat so, als suche er sein Taschentuch. In Wahrheit wollte er nur sehen, in
welche Richtung Macholt sich wandte. Der hatte die Hände in den Taschen und den
Kopf gesenkt. Er ging zur Brüggemannstraße, weder schnell noch langsam, trat
jetzt gegen eine Blechbüchse und dann noch ein zweites Mal, aber mit links.
Tarzan wieselte hinaus. Sein
Rad interessierte ihn nicht. Natürlich war der Hinterreifen in Ordnung.
Sofort rannte er über die
Straße, war jetzt im Schatten unter den Kastanien und ging in die gleiche
Richtung wie Macholt.
Die Straße war wenig belebt.
Ein Lastwagen fuhr vorbei, dann ein Mann auf einem Damenrad. Er lenkte mit
einer Hand. Unter dem anderen Arm hielt er einen fast fenstergroßen Spiegel
ohne Rahmen. Spaß machte ihm das nicht.
Denn er hatte ein ärgerliches
Gesicht und murmelte vor sich hin: sicherlich Flüche.
Keinen Blick ließ Tarzan von
Macholt.
Wie gut! Denn plötzlich drehte
der sich um.
Augenblicklich war Tarzan
hinter dem Stamm der nächsten Kastanie.
Ein paar Sekunden wartete er.
Dann lugte er hervor.
Macholt ging weiter, bog jetzt
in die Brüggemannstraße, und Tarzan sauste über die Fahrbahn zur Hausecke.
Bis zur Kreuzung war die
Verfolgung schwer. Nur eine Toreinfahrt bot sich als Deckung an. Tarzan blieb
dort, bis Macholt die Kreuzung erreichte. Zweimal noch hatte er sich umgedreht.
So ein mißtrauischer Kerl!
Bei der Kreuzung begann die
Bahnhofstraße, die aber noch lange nicht zum Bahnhof führte. Es war eine
Einkaufsstraße mit vielen Geschäften, Boutiquen, Supermärkten und Kaufhäusern.
Vor den Straßen-Cafés hatte man
Tische und Stühle auf den Gehweg gestellt. Ein Pflaster-Maler kniete auf den
Steinplatten und vollendete mit bunter Kreide sein Kunstwerk: einen Frauenkopf.
Die Dame schielte ein bißchen, aber sonst sah sie nett aus. Und viele Passanten
warfen Groschen oder Fünfzig-Pfennig-Stücke in den Hut des Künstlers, den er
umgestülpt und wie eine Sammelbüchse aufgestellt hatte.
Hier war die Verfolgung leicht.
Tarzan kam näher heran.
Macholt blickte sich nicht mehr
um, ging aber jetzt schneller und hatte eine Hand aus der Tasche genommen.
An einem Kiosk kaufte er
Zigaretten.
Viermal noch bog er ab. Sein
Ziel war ein schäbiges Viertel. Schmale Straßen krümmten sich an windschiefen
Häusern vorbei. Die Häuser waren alt und hätten schon vor Jahren einen Anstrich
gebraucht. In einer Kfz-Werkstätte, deren Tor offenstand, lag rostiges Werkzeug
herum, und die Hebebühne funktionierte bestimmt nicht mehr. Mülltonnen standen
neben Hauseingängen. Fliegenschwärme kreisten darüber. Es roch nach Abfall.
Einige Häuser schienen baufällig zu sein. Sie waren leer. Tarzan konnte durch
die Fenster in kahle Räume sehen, wo
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