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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Franziskanerkloster, wo er den Tod erwartet hatte.
    Er wollte den Knopf drücken und die Krankenschwester rufen, konnte ihn aber nicht finden. Auf dem Nachttisch neben dem Bett gab es eine Handglocke, und er streckte die Hand danach aus, aber in seinen Fingern war keine Kraft, und sie klirrte auf den Boden. Sie machte ein gräßliches, endloses metallisches Geräusch, wie der Alptraum einer Glocke, aber niemand kam.
    Als er das nächste Mal erwachte, stand die Handglocke wieder auf dem Nachttisch, also mußte jemand dagewesen sein, während er geschlafen hatte. Er blinzelte verschwommen die Glocke an und überlegte, wie lange er geschlafen hatte. Eine lange Zeit.
    Im Raum gab es nichts, was darüber Aufschluß hätte geben können. Das diffuse Tageslicht hatte keinen Einfallwinkel und warf keine Schatten. Es konnte Vormittag oder Nachmittag sein. Weder auf dem Nachttisch noch an der Wand gab es eine Uhr oder Zeitanzeige, und er hatte nicht die Kraft, sich umzuwenden und die Wand hinter ihm zu untersuchen. Das Tageslicht fiel durch ein Fenster ein, doch um hinauszusehen und vielleicht irgendeine Orientierung zu finden, hätte er sich aufrichten müssen. Immerhin sah er, daß es regnete. Es hatte auch geregnet, als er zum Brasenose College gegangen war – also konnte es derselbe Nachmittag sein. Vielleicht war er nur ohnmächtig geworden, und sie hatten ihn zur Beobachtung hierher gebracht.
    »Auch dies werde ich euch antun«, sagte jemand. Dunworthy öffnete die Augen und tastete nach seiner Brille, aber sie war nicht da. »Ich werde Schrecken auf euch herabrufen, Schwindsucht und brennendes Fieber.«
    Es war Mrs. Gaddson. Sie saß auf dem Stuhl neben seinem Bett und las aus der Bibel. Sie trug weder Schutzkleidung noch Atemmaske, doch schien die Bibel noch in Plastik gehüllt. Dunworthy blinzelte kurzsichtig zu ihr hin.
    »Und wenn ihr in euren Städten versammelt seid, werde ich die Pestilenz über euch bringen.«
    »Welchen Tag haben wir?« fragte Dunworthy.
    Sie hielt inne, blickte neugierig zu ihm her und fuhr dann geduldig fort: »Und ihr sollt dem bösen Feind in die Hände fallen.«
    Er konnte nicht sehr lang hier gewesen sein. Mrs. Gaddson hatte die Patienten mit ihren düsteren alttestamentarischen Drohungen erfreut, als er gegangen war, Gilchrist aufzusuchen. Vielleicht war es noch derselbe Nachmittag, und Mary war bloß noch nicht dazu gekommen, Mrs. Gaddson hinauszuwerfen.
    »Können Sie schlucken?« fragte die Krankenschwester. Es war die reaktivierte uralte Schwester aus dem Magazin. »Ich muß Ihnen etwas geben«, krächzte sie. »Können Sie schlucken?«
    Er öffnete den Mund, und sie legte ihm eine Kapsel auf die Zunge, stützte seinen Kopf nach vorn, daß er trinken konnte, und wartete. Ihr steif gestärkter Kittel knisterte bei jeder Bewegung.
    Sie ließ seinen Kopf ein wenig zurücksinken. »Haben Sie geschluckt?«
    Die Kapsel steckte unten in seiner Kehle, aber er nickte. Die Anstrengung bereitete ihm Kopfschmerzen.
    »Gut. Dann kann ich dies abnehmen.« Sie zog etwas mit Klebeband Befestigtes von seinem Oberarm.
    »Wie spät ist es?« fragte er und schluckte, um die Kapsel nicht heraufzuhusten.
    »Zeit, daß Sie schlafen«, sagte sie und richtete den Blick ihrer zusammengekniffenen Augen auf die Kontrollablesungen der Instrumente hinter seinem Kopf.
    »Welchen Tag haben wir?« sagte er, aber sie war bereits hinausgehinkt. »Welchen Tag haben wir?« fragte er Mrs. Gaddson, aber auch sie war fort.
    Er konnte noch nicht lange hier sein. Er hatte immer noch Kopfschmerzen und Fieber, welches frühe Symptome von Influenza waren. Vielleicht war er erst seit ein paar Stunden krank. Ja, vielleicht war es noch derselbe Nachmittag, und er war aufgewacht, als sie ihn in den Raum geschoben hatten und bevor sie noch Zeit gehabt hatten, einen Notrufknopf anzuschließen oder ein Fieberthermometer anzubringen.
    »Zeit zum Fiebermessen«, sagte die Schwester. Es war eine andere, die hübsche blonde Schwester, die ihn über William Gaddson ausgefragt hatte.
    »Ich habe vorhin schon eine Kapsel geschluckt.«
    »Das war gestern«, sagte sie. »Kommen Sie, schlucken Sie schon.«
    Jemand hatte ihm erzählt, daß sie krank sei. »Ich dachte, Sie hätten das Virus«, sagte er.
    »Das stimmt, aber es geht mir schon besser, und Sie werden auch bald gesund sein.« Sie schob die Hand hinter seinen Kopf und stützte ihn, daß er einen Schluck Wasser nehmen konnte.
    »Welchen Tag haben wir?« fragte er.
    »Den Elften«,

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