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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Nordschottland bringen. Dorthin ist die Pest nicht gekommen. Der Sohn des Verwalters könnte auf dem Esel reiten, und für Rosemund würden sie eine Tragbahre machen.
    Das Mädchen saß auf dem Strohsack. »Der Junge des Verwalters hat dich gerufen«, sagte sie, als Kivrin hereinkam.
    Er hatte blutigen Schleim erbrochen. Sein Strohsack war davon beschmutzt, und als Kivrin ihn säuberte, war er zu schwach, um den Kopf zu heben. Selbst wenn Rosemund reiten könnte, dachte sie verzweifelnd, er konnte es nicht. Sie würden nicht bis zum nächsten Dorf kommen.
    In der Nacht dachte sie an das Fuhrwerk, das am Absetzort gewesen war. Vielleicht konnte der Verwalter ihr helfen, den Wagen zu reparieren und zusammenzusetzen, und Rosemund könnte darin liegen. Sie entzündete ein Binsenlicht an der Glut des Herdfeuers und schlüpfte zum Stall hinaus, um sich den Wagen anzusehen. Pater Roches Esel begrüßte ihr Eintreten mit rauhem Geschrei, und sie vernahm ein vielfaches huschendes Rascheln, als sie das rauchende Licht in die Höhe hielt.
    Die eingeschlagenen Kisten und die Körbe lagen wie eine Barrikade aufgestapelt vor dem Fuhrwerk, und als sie einen Teil davon weggeräumt hatte, mußte sie erkennen, daß es nicht gehen würde. Das Fuhrwerk war zu groß. Der Esel konnte es nicht ziehen, außerdem fehlte die hölzerne Achse. Irgendein unternehmender Zeitgenosse mußte sie fortgetragen haben, um einen Zaun auszubessern oder Brennholz daraus zu machen. Oder um den eigenen Wagen damit instandzusetzen.
    Es war pechschwarze Nacht, als sie auf den Hof hinauskam, und die Sterne standen hell und scharf am Himmel, wie sie es am Weihnachtsabend getan hatten. Sie mußte daran denken, wie Agnes an ihrer Schulter geschlafen hatte, die Messingglocke an ihrem kleinen Handgelenk, und wie von überall die Glockentöne über das Land gehallt hatten.
    Sie lag noch lange wach, beschäftigt mit Überlegungen zu einem anderen Plan. Vielleicht ließ sich eine Art Sänfte zum Schleifen machen, die der Esel ziehen konnte, wenn der Schnee nicht zu tief war. Oder vielleicht konnten sie beide Kinder rechts und links wie Traglasten auf dem Esel festmachen und das Gepäck selbst tragen.
    Endlich schlief sie ein, und wurde beinahe augenblicklich, wie es ihr vorkam, wieder geweckt. Es war noch dunkel, und Pater Roche beugte sich über sie. Die Glut des sterbenden Herdfeuers leuchtete sein Gesicht von unten an, so daß er aussah wie damals auf der Lichtung, als sie ihn für einen Halsabschneider gehalten hatte, und noch im Halbschlaf streckte sie die Hand aus und legte sie sanft an seine Wange.
    »Katherine«, sagte er leise, und sie wurde wach. Es ist Rosemund, dachte sie und wandte den Kopf, aber das Mädchen schlief ruhig, die schmale Hand unter der Wange.
    »Was gibt es?« fragte sie. »Seid Ihr krank?«
    Er schüttelte den Kopf, öffnete den Mund und schloß ihn wieder.
    »Ist jemand gekommen?« fragte sie und krabbelte auf die Füße.
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    Wer sollte krank geworden sein? Es war kaum noch jemand übrig. Sie blickte zu den Decken bei der Tür, wo der Verwalter schlief, aber er war nicht da. »Ist der Verwalter zusammengebrochen?«
    »Der Junge des Verwalters ist tot«, sagte er in einem seltsamen, benommenen Ton, und sie sah, daß auch der Junge von seinem Strohsack verschwunden war. »Ich ging zur Kirche, um das Stundengebet zu sprechen«, sagte Pater Roche, und seine Stimme versagte. »Ihr müßt mit mir kommen«, fügte er hinzu, richtete sich auf und ging hinaus.
    Kivrin hob ihre zerlumpte Decke auf, legte sie sich um die Schultern und eilte ihm nach auf den Hof.
    Es konnte nicht später als sechs sein. Die erste Ahnung des kommenden Tages lag als eine dunkelgraue, schwache Aufhellung am Osthorizont, dessen Konturen eben sichtbar waren. Pater Roche verschwand bereits in der Zufahrt zum Dorfanger. Kivrin beschleunigte ihre Schritte und lief ihm nach.
    Die Kuh des Verwalters war wieder in der Scheuneneinfahrt und zog das Heu aus dem im Herbst eingelagerten großen Haufen hinter der hüfthohen seitlichen Trennwand. Als sie Kivrin sah, hob sie den Kopf und muhte.
    »Bleib, wo du bist!« sagte Kivrin und klatschte in die Hände, aber sie muhte wieder und kam aus der Einfahrt.
    »Ich habe keine Zeit, dich zu melken«, sagte sie und lief weiter.
    Pater Roche war halb über den Dorfanger, bevor sie ihn einholte. »Was gibt es? Könnt Ihr es mir nicht sagen?« fragte sie, aber er blieb nicht stehen, sah sie nicht einmal an. Er

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