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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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wandte sich zu der Gräberreihe am Rand des Dorfangers, und sie dachte in plötzlicher Erleichterung, daß der Verwalter versucht habe, seinen Sohn selbst zu begraben, ohne einen Priester.
    Das kleine Grab war zugeschüttet, der Erdhügel darüber festgeklopft, und neben Rosemunds fertigem Grab war ein anderes, größeres in Arbeit. Die Schaufel ragte heraus, der Stiel lehnte am Rand.
    Pater Roche blieb am Rand dieses neuen Grabes stehen und sagte im gleichen benommenen Ton. »Ich ging zur Kirche, um das Stundengebet zu sprechen…« – und Kivrin blickte in das Grab.
    Der Verwalter hatte offenbar versucht, sich selbst mit Hilfe der Schaufel zu begraben, aber der Umgang mit ihr hatte sich in dem engen Raum als schwierig erwiesen, und so hatte er sie an den Rand gelehnt und angefangen, die Erde mit den Händen herabzuziehen. In seiner erstarrten Hand war noch ein großer Klumpen.
    Seine Beine waren mit Erde bedeckt, was ihm ein seltsam unanständiges Aussehen verlieh, als läge er in der Badewanne. »Wir müssen ihn richtig begraben«, sagte sie und griff zur Schaufel.
    Pater Roche schüttelte den Kopf. »Es ist geweihte Erde«, murmelte er, und sie verstand, daß er dachte, der Verwalter habe sich selbst getötet.
    Es spielt keine Rolle, dachte sie, aber trotz aller Schrecken war Roche in seinem Glauben standhaft und unerschütterlich. Trotz seiner Übermüdung war er im Dunkeln aufgestanden, um in der Kirche das Stundengebet zu sprechen, als er den Verwalter gefunden hatte, und selbst wenn sie alle stürben, würde er weiter seine täglichen Gebete sagen und seine geistlichen Pflichten erfüllen und nichts Widersinniges daran finden.
    »Es ist die Krankheit«, sagte Kivrin, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob es sich so verhielt oder nicht. »Die Pest-Sepsis muß es gewesen sein. Sie infiziert das Blut.«
    Er sah sie verständnislos an.
    »Ich sah gestern schon, daß er krank war«, sagte sie. »Er muß während der Arbeit überwältigt worden sein«, erklärte sie. »Die Pest-Sepsis vergiftet das Gehirn. Er war nicht bei klarem Verstand.«
    »Wie Frau Imeyne«, sagte er, und es klang beinahe froh.
    Er wollte ihn nicht außerhalb des geweihten Bezirks begraben, dachte Kivrin, obwohl er nach der Kirchenlehre dazu verpflichtet war.
    Sie half ihm den Leichnam des Verwalters auszustrecken, obwohl er bereits steif war. Sie versuchten nicht, ihn zu bewegen oder in eine Decke zu hüllen. Pater Roche legte ihm ein dunkles Tuch übers Gesicht, und abwechselnd schaufelten sie die Erde auf ihn. Die gefrorenen Brocken, die zuletzt auf den flachen Grabhügel fielen, klapperten wie Steine.
    Pater Roche ging nicht in die Sakristei, um sein Chorhemd überzuziehen oder das Missale zu holen. Er stellte sich zuerst an das Grab des Jungen, dann an das des Verwalters und sprach die Totengebete. Kivrin, die mit gefalteten Händen neben ihm stand, dachte über das tragische Schicksal dieses Mannes nach, der seine Frau und sieben Kinder begraben und fast alle, die er kannte, um sich her hatte sterben sehen. Er hatte gespürt, daß er krank war, und wenn er in sein offenes Grab gekrochen war, um lieber zu erfrieren als auf den elenden Pesttod zu warten, dann war es kein Zeichen von Geistesverwirrung. Er hatte Besseres verdient als ein Grab, sei es ein geweihtes oder ein Selbstmördergrab.
    Wir können jetzt nach Schottland gehen, dachte sie bei sich. Rosemund kann auf dem Esel reiten, und Pater Roche und ich können die Decken und den Proviant tragen. Sie blickte zum Himmel auf. Inzwischen war es Tag geworden, die Wolkendecke sah leichter aus, als könnte sie im Laufe des Vormittags aufreißen. Wenn sie sich frühzeitig auf den Weg machten, konnten sie um die Mittagszeit den Wald hinter sich haben und die Straße von Oxford nach Bath erreichen. Und gegen Abend würden sie schon auf der Straße nach York sein.
    »Agnus dei, qui tollis peccata mundi«, sagte Pater Roche, »dona eis requiem.«
    Wir müssen Hafer für den Esel mitnehmen, dachte sie. Und die Axt, um Feuerholz zu schlagen. Und Decken.
    Er beendete seine Gebete. »Dominus vobiscum, et cum spiritu tuo«, sagte er. »Requiescat in pace. Amen.« Er wandte sich um und ging langsam hinüber zum Glockenturm, um die Totenglocke zu läuten.
    Befeuert von ihrem Plan, machte Kivrin sich auf den Rückweg zum Herrenhaus. Sie konnte halb zusammengepackt haben, bis Pater Roche das Grabgeläute beendete, und dann konnte sie ihm ihren Plan erklären, und er konnte den Esel beladen, und schon

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