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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Praktikantin kam mit einer Spritze. Dunworthy schob den Ärmel seines Rockes hoch.
    »Sie sollen wissen, daß ich dies alles ganz und gar nicht billige«, sagte sie, während sie ihm die Armbeuge mit einem alkoholgetränkten Wattebausch abrieb. »Sie gehören beide ins Krankenhaus.« Sie verabfolgte ihm die Injektion und ging zurück zu ihrem Kabinenkoffer.
    Badri wartete, während Dunworthy den Ärmel herunterließ und glattstrich, dann faßte er ihn am Arm, bewegte ihn ein kleines Stück, machte weitere Messungen. Colin trug ein Anzeigegerät herein und verschwand wieder, ohne Dunworthy anzusehen.
    Dunworthy sah die Kontrollschirme ihre Zahlen ändern und wieder ändern, während Badri seine Messungen und Einstellungen vornahm. Durch die geschlossene Tür konnte er von ferne die Schellenläuter üben hören; aus dieser Distanz hörte es sich beinahe musikalisch an. Colin öffnete die Tür, und sofort wurden die metallischen Klänge unangenehm. Der Junge manövrierte einen zweiten Kabinenkoffer durch die Tür.
    Er zog ihn zu der Stelle, wo die Praktikantin sich einrichtete, und stellte sich zu Montoya, um die Zahlen auf den Bildschirmen zu beobachten. Dunworthy wünschte, er hätte ihnen gesagt, daß er sitzend durchgehen wolle. Die steifen Stiefel drückten, und allein schon die Anstrengung des Stillstehens hatte ihn bereits erschöpft.
    Badri sprach wieder ins Mikrophon, und die Abschirmungen kamen herunter, berührten den Boden und legten sich ein wenig um. Colin sagte etwas zu Montoya, und sie blickte auf und nickte dann und wandte sich zurück zum Bildschirm. Colin ging zum Netz.
    »Was machst du da?« fragte Dunworthy.
    »Eines von den Vorhangdingern hat sich verfangen.« Er ging zur anderen Seite und zupfte an der Falte.
    »Fertig«, sagte Badri.
    »Ja«, sagte Colin und zog sich zur Tür zurück. »Nein, warten Sie.« Er kam wieder zur Abschirmung. »Sollten Sie nicht die Brille abnehmen, Mr. Dunworthy? Für den Fall, daß jemand Sie durchkommen sieht?«
    Dunworthy nahm die Brille ab und steckte sie in die Rocktasche.
    »Wenn Sie nicht zurückkommen, gehe ich Sie suchen«, sagte Colin und trat zurück. »Fertig«, rief er.
    Dunworthy blickte zu den Bildschirmen. Sie waren nichts als verschwommene helle Flecken. Montoya, die sich über Badris Schulter gebeugt hatte, war nur noch eine schemenhafte Gestalt. Sie sah auf ihre Uhr. Badri sprach ins Mikrophon.
    Dunworthy schloß die Augen. Er konnte in der Ferne die Schellenläuter hörten, wie sie ihr Stück probten. Er öffnete die Augen.
    »Jetzt«, sagte Badri. Er drückte einen Knopf, und Colin sprang durch die Abschirmungen und direkt in Dunworthys Arme.

 
33
     
     
    Sie legten Rosemund in das Grab, das der Verwalter für sie ausgehoben hatte. Er hatte gesagt, daß sie diese Gräber benötigen würden, und er hatte recht gehabt. Es war ihnen schwer ums Herz, als sie das Mädchen zum Dorfanger hinaustrugen, und schwer wurde ihnen die leichte Last.
    Sie legten die Tote neben dem Grab auf die Erde. Sie sah unglaublich dünn und zerbrechlich aus, wie sie in ihrem Umhang dalag, abgemagert zu einem Nichts. Die Finger ihrer rechten Hand, immer noch gekrümmt, wie sie den Apfel gehalten hatten, waren nichts als Haut und Knochen.
    »Habt Ihr ihre Beichte gehört?« frage Pater Roche.
    Kivrin nickte, und es schien ihr nicht die Unwahrheit zu sein. Rosemund hatte bekannt, daß sie sich vor der Dunkelheit und der Pest und dem Alleinsein fürchtete, daß sie ihren Vater geliebt und gewußt hatte, daß sie ihn nicht wiedersehen würde. Alles Dinge, die sie selbst nicht bekennen konnte.
    Kivrin zog die Nadel der Brosche heraus, die Sir Bloet dem Mädchen geschenkt hatte, und wickelte Rosemund so in den Umhang, daß er ihren Kopf bedeckte. Pater Roche nahm sie in die Arme wie ein schlafendes Kind und stieg hinunter ins Grab.
    Er hatte Mühe, wieder herauszuklettern, und Kivrin mußte seine großen Hände ergreifen und ihn herausziehen. Und als er die Gebete für die Tote begann, sagte er: »Domine, ad adjuvandum me festina.«
    Kivrin sah ihn besorgt an. Wir müssen fort von hier, bevor auch er angesteckt wird, dachte sie. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
    »Dormiunt in sommo pacis«, sagte Pater Roche und er hob die Schaufel auf und begann das Grab zuzuschütten.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Kivrin löste ihn ab und hackte an dem angefrorenen Erdhaufen und versuchte zu überlegen, wie weit sie bis zum Abend kommen würden. Es war noch nicht Mittag. Wenn sie bald

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